Allgemein,  Theologie

"Born again" – Wiedergeburt, was ist das?

Als prominenter Vertreter derer, die sich selbst – in Abgrenzung zu anderen gläubigen Christen – als „wiedergeboren“ (born again) betrachten bzw. bezeichnen, gilt der vormalige US-Präsident G.W. Bush. Was aber bedeutet „Wiedergeburt“ respektive geschieht bei derselben wirklich? Innerhalb des Protestantismus existieren drei sehr unterschiedliche theologische Konzepte …

Ich möchte – in aller Kürze – diese unterschiedlichen Positionen hier vorstellen.

Taufwiedergeburt –Wiedergeburt“ sakramentalistisch verstanden

Die Taufwiedergeburt stellt die orthodoxe, evangelisch-lutherische Sichtweise dar… Es existieren innerhalb der Evangelischen Kirche durchaus Überschneidungen zu den anderen Positionen, diese wird jedoch offiziell durch Bekenntnis und Lehre so geglaubt und gelehrt (hier->).

Durch die sakramentale Handlung der Taufe, wird ein Mensch – in der Regel als Kind – „wiedergeboren“ und erhält damit Anteil am Leib Christi bzw. wird Glied der Kirche. Der Gläubige bleibt dem Wesen nach „Sünder“, bekommt aber eine neue Stellung vor Gott als „Gerechter“ (peccator in re, iustus in spe) durch die Rechtfertigung in Christus.

Das Sakrament stellt so verstanden Bestätigung, Unterstreichung und Bekräftigung dessen, wovon im Wort die Rede ist, dar:

»Das Wort tritt zum Element und wird ein Sakrament“ (Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum) Augustinus

Für Luther ist die Taufe

»billig ‚ein Bad der neuen Geburt’ und das rechte Verjüngerungsbad, daß, wer darin badet, wird wieder jung und neu geboren; nicht wie zuvor aus Mutterleibe, welches ist die alte Geburt, sondern aus der Sünde zur Gerechtigkeit, aus der Schuld und Verdammnis zur Unschuld und Gnade, aus dem Tode ins ewige Leben.« Dr.M. Luther

Zwar verneint Luther das traditionelle „Opus operatum-Denken“ der römisch-katholischen Kirche, wonach die Sakramente aus ihrem bloßen Vollzug heraus wirken und heilskräftig sind und sagt ohne wenn und aber:

»Ohne Glauben ist es nichts nütze, ob es gleich an ihm selbst ein göttlicher, überschwenglicher Schatz ist.«

aber er versteht Glaube und Wiedergeburt auch nicht von der Taufe mit Wasser losgelöst. Luther meint,

»daß der Glaube etwas haben muß, das er glaube, das ist, daran er sich halte und darauf stehe und fuße. Also hanget nun der Glaube am Wasser und glaubt, daß es die Taufe sei, darin eitel Seligkeit und Leben ist.«

Auch wenn Luther bzw. der lutherische Protestantismus eindeutig die Notwendigkeit des Glaubens und das Wirken des Heiligen Geistes bekennen, reicht beides nicht aus, besteht hier durchaus noch eine Nähe zum römisch-katholischen Sakramentsverständnis.

Erneuerte Kreatur – „Wiedergeburt“ spiritualistisch-pietistisch verstanden

Insbesondere innerhalb der freikirchlichen Bewegung, Hauptträger des pietistischen Evangelikalismus (hier->), geht man davon aus, das ausgelöst durch ein, in der persönlichen Biographie lokalisierbares – Bekehrungsereignis, eine wie auch immer geartete – „Erneuerung“ bzw. „Wiedergeburt“ des inneren Menschen stattfindet. Der Gläubige erhält, infolge bzw. aufgrund einer eigenen Willensentscheidung und dem daraufhin wirkenden Geist Gottes, wesenhaft Anteil an dem auferstandenen Christus und ist eine neue Kreatur.

»Diese neue Geburt ist mehr als eine Reformation, sie ist eine Transformation… In plastischen Worten hebt die Bibel die Veränderung hervor, die wiedergeborene Menschen erfahren: von Begierde zur Heiligkeit; von Dunkelheit zum Licht; vom Tod zur Auferstehung; vom Fremdling zum Bürger in Gottes Stadt. Die Bibel lehrt, dass der wiedergeborene Mensch einen veränderten Willen, veränderte Emotionen, veränderte Lebensziele, eine ganz andere Disposition und einen neuen Lebensinhalt hat. Er empfängt eine neue Natur und ein neues Herz. Er wird eine neue Schöpfung.« Billy Graham, Wiedergeburt – wie geschieht das?

Nach diesem Verständnis wird das Geschehen am Kreuz und in der Auferstehung von Christus weg, hin zum Gläubigen verlagert. Nicht allein Christus ist als Erstgeborener aus den Toten „eine neue Kreatur“ (2Kor 5,17), sondern individuell und substanziell-wesenhaft die Natur eines jeden Gläubigen.

»Nach 2.Kor 5,17 ist der Gläubige ein neues Geschöpf „in Christus”. Er ist es nicht bloß teilweise! „Das Alte ist vergangen – Neues ist geworden.” Man muss dieser Aussage wirklich Gewalt antun, um in ihr eine Koexistenz von „Alt” und „Neu” im Christen bezeugt zu finden. Seine Identität ist von daher bestimmt, dass er in Christus eine neue Schöpfung – und nur eine neue – ist. Weil im Kreuzestod Jesu Christi die alte Schöpfung beendet wurde und mit seiner Auferstehung die neue begann, ist nun der Christ als Teilhaber der Oster-Wirklichkeit selber ein neues Geschöpf.« W. Kopfermann, “Heiligung – Teilhabe an der neuen Schöpfung“(Rezension hier->)

Diese Sichtweise geht einher mit dem Konzept einer verfügbaren, heidnischen Gottesunmittelbarkeit und Vergöttlichung des Menschen.

Glaube – „Wiedergeburt“ biblisch-reformiert verstanden

Die reformierte Sichtweise geht nun bei der „Wiedergeburt“ davon aus, das ein Mensch, Kraft des verkündigten Wortes und dem darin wohnenden Wirken des Heiligen Geistes vom Nichtglauben (=geistlicher Tod), zum Glauben (=geistliches Leben) kommt (Röm10,17; 1Petr1,23).

„Wiedergeburt“ ist der Augenblick, in dem der Glaube an den stellvertretenden, historisch-leiblichen Tod und die Auferstehung Christi in dem Erwählten von Gott gewirkt wird. Wiedergeburt wird in der Schrift oft im Sinne einer Auferstehung geschildert. Als erste Auferstehung geschieht diese geistlich/übertragen (Offb 20,6; siehe auch Joh 11,25.26; Eph 2,5.6; Kolo3,1-3).

Erst mit der zweiten Auferstehung, der Auferstehung der Toten, zum ewigen Leben wird der leibliche Vollzug der Wiedergeburt umfassend und abschließend realisiert, wobei deren Wirksamkeit bereits heute jedoch mittels des Glaubens gegeben ist.

Durch den Glauben an die erste Auferstehung, bekommt der Gläubige gegenwärtig Anteil am Reich Gottes, wird Glied am Leib Christi (der Kirche), während die zweite Auferstehung in der Zukunft liegt und mit der Verherrlichung und Verwandlung des Leibes einhergeht (Offb 20,6).

»Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.« 1Petr1,3
»Gott …hat auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht …und hat uns mit ihm auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus.« Epheser 2,4-6
»Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit.« Joh11,25.26

In Christus Jesus, dem Erstgeborenen sind wir bereits mit auferweckt (wiedergeboren) und haben Anteil an der Himmelswelt. Wesentlich dazu auch die Aussage Jesu:

»Es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die Toten werden die Stimme des Sohnes Gottes hören; und die sie hören werden, die werden leben.« Joh5,25
»Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes« Kol3,1

Jeder, der wiedergeboren ist, ist in Christus mit Christus auferstanden: Das ist die erste Auferstehung.

Jesus sagt in Johannes 3,3: »Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.« Anteil am Reich Gottes hat man also durch die Wiedergeburt. Bleibt der Gläubige dem Wesen nach „fleischlich„, wird ihm durch den Glauben eine neue „geistliche“ Natur zugeeignet.

»Aber dennoch, trotz solcher Zusagen, wie Römer 6 sie gibt, bleibt der Mensch Mensch und verliert seine Art nicht. In der Wiedergeburt wird die Substanz des Menschen nicht geändert. Eine Eingießung neuer Kräfte, religiöser Qualitäten und Dispositionen findet keineswegs statt. Das ist osiandrisch und römisch. Die Kraft der Auferstehung Christi erweist sich zwar an uns, die wir glauben, aber sie fließt nie auf uns über, sondern verbleibt in Christus, dem Haupte, und wird dann den Gläubigen im Leben zugewendet – durch den heiligen Geist.« Böhl, Eduard

Der Moment der Wiedergeburt ist nach reformierter Sicht auch keinesfalls an den Zeitpunkt der (Kinder-)Taufe gebunden, vielmehr liegt dieser völlig unverfügbar bei Gott. Wiedergeburt ist das ausschließliche Werk des Heiligen Geistes. Im Prinzip kann dieses Werk Gottes im Moment der Taufe, davor oder erst viel später stattfinden.

Wiedergeburt geschieht also weder verbunden mit einer äußeren, sakramentalen Handlung, noch einer inneren, spiritualistischen Transformation, sondern durch ein unverfügbares Wirken des Heiligen Geistes.

Wiedergeburt ist ein Bild für den Übergang vom Tod zum Leben und beschreibt die Zueignung und Mitteilung der Erlösung durch Christus im Glauben!

sdg
apologet

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8 Kommentare

  • Averroes

    Kleiner Tipp für ein Blogthema: Bitte nicht gleich am Anfang dozieren mit einem langen Text! Das reizt nicht zur Diskussion! Ein paar provokante Thesen reichen!

    • apologet

      Vielen Dank für Ihren nachdrücklichen Hinweis. Ich werde versuchen, soweit möglich und nötig, die Kritik umzusetzen. Btw. inwiefern bestand zum Thema „Wiedergeburt“ Ihrerseits Diskussionsbedarf?
      sdg
      apologet

  • Eugen Giesbrecht

    Zu Luthers Wiedergeburtsverständnis: Nicht weil es Luther ist, sondern weil es biblisch ist, sehe ich allein in seiner Lehre das richtige Verständnis der Wiedergeburt.
    Die Bibel lehrt eindeutig: „Wer da glaubt und !!! getauft wird….“
    Und weil Jesus in seinem Missionsbefehl das ebenso deutlich ausdrückt: „..machet zu Jüngern, sie taufend…“ (oder indem ihr sie tauft), deshalb ist die Taufe ein Gotteswerk, eben ein Bad der neuen Geburt.
    Deshalb kann Paulus auch sagen: „…und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.“
    Es geht dabei ja keinesfalls um ein „Hinzufügen“ äußerer Mittel, sondern darum, dass sich der heilige Geist selber durch das Wort an diese Mittel gebunden hat und wirkt.

    Es ist die elende Vernunft, die nicht wahr haben will, dass Wasser solch großen Dinge tun kann, und es ist die göttliche Antwort, die diese Vernunft zunichte macht: Wasche dich, so wirst du rein. 2.Kön.5,13
    Bei allem Guten im Calvinismus muss man doch sagen, dass hier der Ansatz zur Schwärmerei liegt, da man ein unmittelbares Handeln des heiligen Geistes voraussetzt.
    Es ist bezeichnend, dass in der Kirchengeschichte die Geringachtung der äußeren Mittel Taufe und Abendmahl Hand in Hand ging mit der Geringachtung des äußeren Wortes selbst.

    lieben Gruß
    Eugen

  • apologet

    Die Auseinandersetzung darüber, was denn nun „biblisch“ ist oder nicht, wird wohl keinesfalls mit einer einfachen Feststellung entschieden.
    Beispielsweise, um auf Deinen Halbsatz „Die Bibel lehrt eindeutig: „Wer da glaubt und !!! getauft wird….““ einzugehen, wird die Taufe bei der konkreten Festestellung wer denn nun verloren geht, im zweiten Halbsatz nicht genannt.

    Selbiges gilt für den Schächer am Kreuz, diesem sagte Christus — ohne vorherige Taufmöglichkeit — zu, mit Ihm ins Paradies einzugehen (Lk 23,42ff.).

    Es ist und bleibt Sakramentalismus dem reinen Glauben an das Wort, ein „Element“ zuzuordenen. Der junge Luther hat dies auch noch deutlich so gesehen. Erst nach und nach hat er sich – leider – wieder durch den römischen Katholizismus prägen lassen und aus vormals sieben, zwei heilsnotwendige Sakramente eingesetzt. Er hat damit dem klaren Sola Scriptura den Rücken gekehrt.

    Was sagt er denn voher ausdrücklich darüber wo der Geist Gottes wirkt?

    “Der Geist fährt einher auf dem Wagen des Wortes.” (Dr. M. Luther)

    Dort wo Du Ansätze für „Schwärmerei“ zu entdecken wähnst, sehe ich konsequente Anwendung des Sola Scriptura!

    Zudem werden in dem reformierten Sakramentsverständnis keineswegs die äußeren Mittel „geringgeschätzt“, sondern lediglich der Schrift folgend als Hilfs- bzw. Gnadenmittel bewertet. Calvin schreibt dazu in der Institutio:

    „Nun sind wir aber grobsinnig und träge, zudem auch von eitlem Verstande, und deshalb haben wir äußerliche Hilfsmittel nötig, damit der Glaube durch sie in uns erzeugt und vermehrt werde und seinen Fortgang habe bis zum Ziele hin. Darum hat Gott auch diese äußeren Mittel zugefügt, um so unserer Schwachheit aufzuhelfen; und damit die Predigt des Evangeliums ihre Wirkung tut, hat er der Kirche diesen Schatz in Bewahrung gegeben. Er hat „Hirten“ und „Lehrer“ eingesetzt (Eph. 4,11), um durch ihren Mund die Seinen zu unterweisen. Dazu hat er sie auch mit Autorität ausgerüstet. Kurz, er hat nichts unterlassen, was zur heiligen Einigkeit im Glauben und zu rechter Ordnung dienlich sein konnte, vor allem hat er die Sakramente eingesetzt, die, wie wir es durch die Erfahrung merken, höchst nutzbringende Mittel sind, um den Glauben zu erhalten und zu stärken. Denn wir sind ja noch in das Knechtshaus unseres Fleisches eingeschlossen und noch nicht auf die Stufe der Engel gelangt; darum hat sich Gott unserem Fassungsvermögen angepaßt und uns in seiner wunderbaren Vorsehung eine Art und Weise vorgeschrieben, wie wir zu ihm nahen sollen, obwohl wir doch in weiter Ferne von ihm sind.“ (Institutio IV,1,1)

    In diesem Sinne
    sdg
    apologet

  • Eugen Giesbrecht

    So habe ich früher als Mennonit auch gedacht. Es ist aber nicht recht, solche Beispiele wie das Fehlen der Taufe im zweiten Satz oder den Schächer am Kreuz als Gegenbeispiel für die Wirksamkeit der Taufe anzuführen.
    Nicht Gott ist auf das Mittel Taufe angewiesen, sondern der sündige Mensch. Die Bibelstellen zur Taufe sind schon klar und eindeutig, darauf gehst Du aber leider nicht ein. Wenn ich vor kurzem einen baptistischen Pastor zu 1.Petrus 3,21 folgendes sagen hörte: Zitat: „Das ist ein Vorbild der Taufe, die jetzt auch euch rettet“…. und dazu sein Kommentar:“die Taufe rettet aber nicht“…. dann wird Gottes Wort geradezu auf den Kopf gestellt.
    Es sollte schon nachdenklich machen, wenn Calvin den Grundsatz vertrat: „Das Endliche kann nicht Gefäß des Unendlichen sein“. Damit wird letztendlich die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus in Frage gestellt.
    Die Täuferbewegung ist nun mal eine Abspaltung des vom Humanismus geprägten Zwingli, und praktisch alle Sekten konnten eben auf diesem Boden entstehen. Das Taufverständnis Luthers steht nicht nur auf biblischem, sondern auch auf geschichtlichen Boden, wie gesagt, es lohnt sich einmal die Sektierer der Kirchengeschichte anzusehen.
    Außerdem hat man Luther nicht verstanden, wenn man sein Sakramentsverständnis in die Nähe des römischen Katholozismus rückt. Für Luther sind die Sakramente eine Gabe Gottes an den Menschen, der Katholozismus sieht darin eine Gabe, die er Gott bringt und macht sich Taufe und Abendmahl so verfügbar. Das macht einen himmelweiten Unterschied. So war schon im AT das Opfer nicht eine Gabe des Menschen an Gott, sondern Gottes gnädiges Handeln am sündigen Menschen.
    Es ist heute die gleiche Argumentation eines Naaman: „11 Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. 12 Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, sodass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn. 13 Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein!“
    Gott hätte ihn doch durch ein Wort des Propheten heilen können, warum tut er das nicht? Es ist nun mal Gottes Art, sich geschöplicher Mittel zu bedienen, um damit die Vernunft des Menschen zunichte zu machen. Aber nicht nur das: Er nimmt so in seiner unbegreiflichen Gnade den Menschen mit hinein in sein Handeln.
    In dem Sinne halte ich es weiterhin mit Luther: „Auch wenn man aller Mönche Werke auf einen Haufen würfe, mögen sie noch so kostbar glänzen, so wären sie doch nicht so edel und gut, als wenn Gott einen Strohhalm aufhübe.“
    Gruß Eugen

  • apologet

    Wenn ich dazu anmerken darf: weder früheres Denken, noch halbe Bibelzitate erscheinen geeignet oder „recht“ zu sein, die geistliche Natur der Taufe bzw. Wiedergeburt zu ergründen.
    Dabei spielt im Wesentlichen die jeweilige Hermeneutik respektive deren konkrete exegetische Anwendung eine Rolle. Das grundsätzliche Schriftverständnis zwischen Lutheranern und Reformierten mag sich vielleicht nicht so sehr unterscheiden, es bleiben aber – wie man sieht – Unterschiede bestehen. Diese sind in der Konkordienformel bereits grundlegend behandelt worden.

    Es scheint also ohne Probleme möglich, einzelne Textstellen verschieden zu verstehen… 😉
    Insbesondere wenn man einen größeren biblischen Kontext zu dieser Thematik im Blick behält, lassen sich einzelne Bibelstellen besser einordnen…

    Zum lutherischen Sakramentalismus: Nicht ohne Grund existiert grundsätzlich die Möglichkeit der Zulassung von Lutheranern zur rk Eucharistie. Hauptproblematik und Ursache der schärfen Verurteilung Luthers lag ja nicht in der Konsekration etc., sondern vielmehr in dem Verständnis einer „wiederkehrenden Erneuerung“ des Kreuzesopfers (instauratio) bzw. der Rolle des Priesters. Das grundsätzliche Sakramentsverständnis unterscheidet sich eben doch nur unwesentlich bzw. erschöpft sich aus reformierter Perspektive auf die Begrenzung von sieben auf zwei Sakramente.

  • Eugen Giesbrecht

    Mit „früherem Denken“ ging es mir natürlich nicht um eine Ergründung der Taufe, sondern um das baptistische Taufverständnis klar zu machen.
    Will sagen: im baptistischen Taufverständnis (das ich eben von Hause aus hatte) hat man das reformierte Taufverständnis konsequent zu Ende gedacht. Wenn die Taufe nichts bewirkt, dann ist es letztlich auch Unsinn, Kinder zu taufen.
    Was meine „halben Bibelzitate“ angeht: ich verstehe Deine Aufregung darum nicht. Es liegt doch in der Natur der Sache, dass hier aus Platzgründen nicht ganze Kapitel oder sogar alle Bibelstellen zur Taufe genannt werden können.

    Außerdem: es ist ja gerade der Baptismus, der sich auf den Halbsatz stützt: „… wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“
    Alle anderen klaren Stellen zur Wirksamkeit der Taufe werden durch diesen „Halbsatz“ außer Kraft gesetzt.

    Dass es auch eine gewisse Nähe vom lutherischen zum rk. Verständnis gibt, tut der Sache selbst keinen Abbruch.
    Mit der Begründung könnten wir auch die Trinität anzweifeln, die ja ebenfalls rk. Lehre ist.

    Noch einmal zum Unterschied des lutherischen und rk. Sakramentsverständnis: bei der rk. Transsubstantiation geht es um eine Vergöttlichung der Elemente, sie werden wesensmäßig verändert.
    Das erklärt auch, warum diese Elemente sogar angebetet werden.

    Aus dieser Lehre geht ebenfalls der, durch die Sakramente eingegossenen Gnade, vergöttlichte Mensch hervor. Also auch der Mensch wird bei seiner Taufe wesensmäßig verändert. (hieraus folgt dann Heiligen, Papst –und Marienverehrung) Der Katholik sieht dementsprechend die Heilswirklichkeit beim „erneuerten Menschen“ und nicht mehr in erster Linie in Christus. (übrigens genau dieses Verständnis hat die überwiegend evangelikale Christenheit, die meistens ebenfalls ein reformiertes Taufverständnis hat – hier allerdings nicht Taufe, sondern Wiedergeburt).

    Dem steht das lutherische Sakramentsverständnis geradezu konträr gegenüber: Brot bleibt Brot und Wein bleibt Wein, Wasser bleibt Wasser, denn „ohne Gottes Wort ist das Wasser schlicht Wasser und keine Taufe, aber mit dem Worte Gottes ist’s eine Taufe…..“ (Luther)

    Sei es der brennende Dornstrauch bei Mose, seien es die Posaunen vor Jericho, sei es das Jordanwasser bei Naamann, nicht diese Dinge an sich waren wirksam, es geht nicht um eine wesensmäßige Veränderung, aber mit Gottes Wort verbunden waren sie heiliger Boden, ließen sie die Mauern von Jericho einstürzen, heilten von Aussatz.

    Deshalb: „Die Taufe ist nicht allein schlicht Wasser, sondern sie ist das Wasser in Gottes Gebot gefasst und mit Gottes Wort verbunden.“ (Luther)

    Dementsprechend bleibt auch der Christ für Luther Sünder, aber durch das Wort und den Glauben an das Wort ist er auch ganz gerecht. (Sünder und Gerechter zugleich). Da der Mensch eben nicht wesensmäßig erneuert (vergöttlicht) wird, bleibt der „lutherische“ Christ angewiesen auf Christus bis zu seinem Tod. Er lebt eben wirklich im Glauben.

    Der wichtigste Punkt dabei ist und bleibt aber wie auch die Konkordienformel lehrt:
    „Jesus Christus ist wahrhaftiger, wesentlicher, natürlicher, völliger Gott und Mensch, in einer Person ungetrennt und ungetheilet.“
    Genau dieser Punkt wird im reformierten Verständnis (sicher meist unbewusst) angegriffen, deshalb war Luther so unnachgiebig in seiner Sakramentslehre.

    Die Vernunft des Menschen kann hier gar nichts ausrichten, für Luther gehörte sie sogar zum größten Feind des Evangeliums. Nicht in den klaren Aussagen, ja der ganzen biblischen Lehre über die Taufe liegt das Problem, sondern in der elenden Vernunft, die Gottes Wort nicht so stehen lassen möchte, wie es nun mal geschrieben steht. Der Glaube dagegen nimmt das Wort so wie es ist, auch wenn es völlig unsinnig erscheint.

  • Rainer Brändlein

    Hallo Bruder Eugen,

    ich glaube auch, daß die Lehre von der Taufwiedergeburt biblisch ist. Übrigens hat nicht nur Luther die Taufwiedergeburt gelehrt, sondern auch Dietrich Bonhoeffer. Ich selbst habe folgende Begründung: In den ersten fünf Kapiteln des Römerbriefs erwähnt Paulus das Nomen „Glauben“ und verbindet damit ein „Gerechtwerden“ vor Gott. Paulus muß zugeben, daß es tatsächlich um nicht mehr als diese Formel geht: Werde gerecht durch Glauben. Nun gab es aber Leute in der römischen Gemeinde, die auf Gnade hin sündigten. Paulus macht in den ersten fünf Kapiteln immer wieder solche Andeutungen. Es sieht so aus, daß Paulus diesen Leuten mit der Glaubensformel nicht beikommt und da sagt er ihnen, daß sie doch getauft seien und deshalb als Christen leben sollten, weil sie ansonsten sterben würden. In Kapitel 6 packt Paulus alle Segnungen, die für ein christliches Leben notwendig sind in das Sakrament der Taufe hinein. Ich muß sagen, obwohl ich nie auf Gnade hin sündigen wollte, habe ich mir doch lange die Frage gestellt, ob ich überhaupt gläubig sei. Und da kam mir die Lehre von der Taufwiedergeburt sehr zur Hilfe, denn nach der Taufe entfällt die Frage nach dem Glauben in der Hinsicht, daß Glaube nach der Taufe nur noch Gehorsam also Nachfolge bedeuten kann. Gott hat mich durch die Taufe in ein neues Leben gestellt und nun leb‘ ich’s einfach. Übrigens hat Bonhoeffer gesagt: „Nur der Glaubende ist gehorsam und nur der Gehorsame glaubt“. Als Jesus sichtbar auf Erden lebte, da rief er mit hörbarer Stimme in die Nachfolge, was er heute durch das Sakrament der Taufe tut.

    Ich glaube, daß Jesus mich durch die Taufe in die Nachfolge ruft, ich folge nach, also glaube ich. Ist das nicht aus Glauben zu Glauben? Gruß, Brändlein

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