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Die Frage nach der Bibeltreue oder nach der Farbe meiner Spiritualität

Christian A. Schwarz ist ein einflussreicher praktischer Theologe. Sein „Institut für natürliche Gemeindeentwicklung“ hat bereits mit mehr als 60.000 Gemeinden in 70 Ländern zusammengearbeitet. In seinem Buch „Die 3 Farben deiner Spiritualität“ stellt er verschiedene Wege der Gottesbegegnung heraus. Das Buch erhebt den Anspruch einer „fundamentalen Entdeckung“1.

Auf dieser Grundlage „entwirft das Buch einen Wachstumsplan, der zu Leidenschaft, Balance und Reife führt.“2 Aus der Vielfalt von geistlichen Stilen entwickelt Schwarz neun Haupttypen in einen „Trinitarischen Kompass“3. Schwarz behauptet, dass „in Jesus alle neun Stile ihre Einheit finden“4. Er „repräsentiert das Ganze“5. Dass es von nüchtern bis schwärmerisch und von bibeltreu bis liberal unterschiedliche Ausprägungen christlichen Glaubens gibt, ist offensichtlich. Diese einander gegensätzlichen Stile als Vielfalt und Bereicherung anzusehen, deutet bereits an, dass ein anderer Maßstab angelegt wird. Bei Schwarz sind nämlich sämtliche Ausprägungen gleichberechtigt. So sind nicht die einen bibeltreu und die anderen eben nicht, sondern die einen sind mehr bibelzentriert und die anderen eben mystisch oder enthusiastisch. Auf diese diplomatische Weise lässt sich zum Beispiel der Gegensatz „nüchtern-schwärmerisch“ darstellen. „Da geht es nicht um ‚schlechten Glauben’ versus ‚guten Glauben’“6, schreibt Schwarz.

Es geht „um verschiedene – jeweils positive, aber ergänzungsbedürftige – Weisen der Begegnung mit Gott.“7 Damit werden neben biblisch legitimen Stilen wie „bibelzentriert“, „rechtgläubig“ und „missionarisch“ auch so genannte Stile wie „sinnlich“, „sakramental“, „mystisch“ und „enthusiastisch“ als mindestens ebenso positiv angesehen. Kein Stil ist an sich besser. Der eine ist eben „stärker extrovertiert“ (‚Arme hoch’), der andere stärker introvertiert (‚Kopf runter’)“8. Bibelzentriertheit bedarf der Ergänzung durch die Mystik, Rechtgläubigkeit der Ergänzung durch Enthusiasmus und umgekehrt. Dass im Neuen Testament nie dazu aufgefordert wird, enthusiastisch zu sein, mehrfach aber, nüchtern zu sein (1Kor 15,34; 1Thes 5,6-8; 1Tim 3,2.11; 2Tim 2,26.4,5; Tit 2,2; 1Pet 1,13.4,7.5,8), tut hier nichts zur Sache. Das Kriterium „biblisch“ gilt nach Schwarz ausnahmslos für alle neun Typen. Daher ist es nicht als Einzeltyp markiert. Wer „bibelzentriert“ ist, hat einfach nur eine andere „Antenne“ für Gott. Jeder Stil soll als „Antenne für das Göttliche“9 gesehen werden, denn „Gott sendet auf allen neun Kanälen“10. Will jemand nur bibelzentriert und rechtgläubig sein, hat er eben nur zwei Kanäle auf Empfang eingestellt.

Um dieses Defizit zu beheben, „bedarf es im Blick auf die neun Kanäle, über die Gott mit uns kommuniziert, bisweilen einiger Übung, bevor wir etwas empfangen können.“11 Mystik einzuüben ist damit also nicht nur legitim, sondern gar eine Bereicherung in der Gottesbegegnung. Kriterium für den richtigen Schlüssel zu Gott ist das persönliche Erleben in Form von „Spüren“ und „Fühlen“. Die Erklärung von Schwarz sei hier im Zusammenhang zitiert: „Bei jedem Stil ist es hilfreich zu fragen, wann bzw. an welchen Orten die Menschen, die diesen Stil haben, sich Gott ganz besonders nahe fühlen. Dabei ist es freilich so, dass uns Gott in diesen Situationen objektiv näher wäre als in anderen. Aber wir spüren seine Nähe stärker, wir fühlen uns ihm näher. Bei manchen Menschen stellt sich dieses Gefühl ein, wenn sie in großen charismatischen Konferenzen etwas erleben, was über ihren Verstand hinausgeht. Bei anderen ist eine feierliche, von Liturgie und Wiederholung geprägte Atmosphäre wichtig, um das Gefühl der Nähe zu Gott zu erzeugen.“12 (Hervorhebung im Original.) In diesem Zitat wird neben der Gleichberechtigung unterschiedlicher Stile außerdem deutlich, dass man ein Gefühl der Gottesnähe „erzeugen“ bzw. selber machen kann. Der Gläubige kann hierbei auswählen, welcher Stil am besten seinem Gefühl bzw. Wohlgefühl entspricht. Durch diese Bedürfnisorientiertheit verkommt der Glaube von der Christusnachfolge zur Gefühlsnachfolge.

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18 Kommentare

  • Simon

    Der Beitrag hier spricht einen wichtigen Punkt an, das hier beschriebene begegnet einem immer wieder und manchmal habe ich den Eindruck, dass man gern alles so nebeneinander koexistieren lassen will, weil man die Mühe scheut zu fragen:

    Hat Gott wirklich klar gesprochen und wenn ja, was hat er denn jetzt wirklich gesagt?

    Meist steigt man vorher aus und sucht sein Heil in religiösen Erfahrungen und Erlebnissen oder in besonderen psychologisch angehauchten Lebensratgebebüchern. Aber man fragt nicht wirklich nach dem Gott, der zuletzt in seinem Sohn Jesus Christus zu uns gesprochen hat. Immer wieder ist die Bibel halt der Aufhänger um seine eigenen, nicht wirklich mit Gottes Wort zusammenhängenden Erfahrungen mit Gott zu machen. Und das hier im Artikel beschriebene ist ein interessantes Beispiel dafür. Alles wird weich gezeichnet und jede Beurteilung abgelehnt. Schlicht, weil man keinen sinnvollen Maßstab hat um Maß anzulegen.

    Ich kann verstehen, dass man als Gläubiger manchmal verwirrt ist, aber ich kann diese Einstellung nicht verstehen, nichts beurteilen zu wollen. Sicher sollten wir nicht vorschnell, sondern umsichtig urteilen, aber das Urteilen mehr oder weniger aufzugeben, ist für mich völlig unverständlich.

    LG
    Simon

  • apologet

    Hi Simon,
    in dem aktuellen Artikel auf Truth und auch einem Artikel auf TheoBlog werden gerade ähnliche Aspekte beleuchtet. Auf Truth stellt Kevin DeYoung „Konfessionalismus“ und „Pietismus/Evangelikalismus“, also eine eher praktisch orientierte Frömigkeit gegenüber und fragt, inwieweit diese kompatibel sind. Und auch bei Ron Kubsch geht es um den Gegensatz zwischen einem Glauben der auf Erfahrung oder auf Wahrheit/Lehre basiert.
    LG
    Andreas

    • Simon

      Hallo Andreas
      Ja, die beiden Artikel sind mir bekannt, es ist eine Thematik die mich schon mein ganzes Glaubensleben begleitet, weil ich in der pfingst und charismatischen Bewegung groß geworden bin, wo sehr viel Wert auf persönliches Erleben im Sinne von typisch charismatischen Geisteswirkungen oder „göttliche“ Eingebungen gelegt wurde. Ich kannte die ersten 20 Jahre meines Lebens wenig anderes und ja, gerade deshalb stellt sich mir immer wieder die Frage: Worauf gründet sich jemandes Glaube tatsächlich? Deswegen gehen die meisten Bücher, die ich lese auch in diese Richtung.

      Natürlich liest man im Laufe der Zeit breiter, aber diese Fragestellung ist einfach fundamental und kommt immer wieder hoch, wenn man den verschiedensten theologischen Strömungen begegnet, die ihre Gottesbegegnung an allem Möglichen festmachen, sei es an ihren Traditionen, an ihrem inneren Erleben, an ihrem inneren Gefühl, mit Gott verbunden zu sein, oder daran, in „Zungen zu sprechen“ (eine Beobachtung von mir ist, dass so mancher seine Zuversicht, von Gott angenommen zu sein, in seinem Zungenreden meint gefunden zu haben, weswegen selbiges auch mitunter vehement verteidigt wird).

      Jedenfalls beschäftigt mich das regelmäßig und es wird klarer und klarer, dass die Grundlage des Glaubens nur Gottes Offenbarung sein kann und nicht daneben gemachte Erfahrungen, Erlebnisse oder daneben eingeführte Traditionen und Ideen. Ich bin weder gegen Erleben und Erfahrungen, noch bin ich per se gegen Tradition, aber sie haben einen untergeordneten Platz. Wenn ich bspw. die Erfahrung mache, dass Gott konkrete Gebete von mir nicht erhört, kann ich ja auch nicht schließen, dass Gebet im Allgemeinen unsinnig sei. Erfahrung für sich kann sehr irreführend sein.

      LG
      Simon

  • apologet

    Hi Simon,
    da haben wir in dieser Hinsicht wohl eine vergleichbare Sozialisation erfahren. Komme aus einer Familie mit längerer Pfingsttradition.

    Vor ca. 10 Jahren begann meine Loslösung von dieser Theologie, insbesondere vor dem Hintergrund der extremen Lehren und sonderbaren Phänomenen innerhalb der pfingstlich-charismatischen Bewegung, die mich irritierten (Beispielsweise „Torontosegen“ [Vineyard Gemeinde; John Arnott, Benny Hinn; „Ruhen, Lachen im Geist“ etc.] die sogenannte „3. Welle“ bzw. „Zeichen und Wunderbewegung“ [Vineyard, J. Wimber; C.P. Wagner; „power evangelism“], die „4. Dimension“ [Yonggi Cho „Visualisierung“], „Wort des Glaubens“ [K.E. Hagin, W. Margies, H. Henkel; „geistlicher Tod Jesu“], aktuell die „Prophetenbewegung“ [Paul Cain, Rick Joyner, etc.]), so manche absonderliche Lehre und skurrile Praktik internationaler Prediger.

    Diese hatte ich lange Zeit nur als Extrempositionen und Randerscheinungen wahrgenommen. Grundlegender als diese offensichtlichen Phänomene, Praktiken und Sonderlehren erkenne ich jedoch heute eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen dem Schriftzeugnis und dem Selbstanspruch der Pfingst- und charismatischen Bewegung bzw. heutiger Apostel und Propheten und dem stark ausgeprägtem Wunsch nach Erfahrungen bzw. Zeichen, Wundern oder sogar einem vermeintlich grundsätzlich bestehendem Anspruch auf Heilung.

    Habe zwar bereits als Jugendleiter versucht in unserer Jugendgruppe den Schwerpunkt mehr auf systematische Lehre zu legen (was misslang), aber erst der Kontakt mit reformierter Lehre, durch Literatur und Geschwister hat mich persönlich letztlich in die richtige „Bahn“ gebracht… 😉

    Stimme Dir daher ausdrücklich zu: Weder persönliche Erfahrungen, noch mystische Erlebnisse oder unmittelbare Offenbarung besitzen die Autorität des Wortes Gottes, alles was neben der Schrift, auf persönlicher Erfahrung, Erlebnis oder Offenbarung gründet, verlagert diese Autorität.

    Folgt man der modernen evangelikalen Theologie, kann und muss christlicher Glaube, ja Gott selbst jedoch „erfahrbar“ sein. Nicht selten wird Christsein ohne Erfahrung sogar als bloßer „Kopfglaube“ bzw. „Dogmatismus“ abgetan und scheinbar biblisch-korrekt gefordert, dass Glaube „in das Herz“ gehöre, praktisch werden müsse. In Anlehnung an Jakobus — Glaube ohne Werke ist tot Jak2:21- wird daraus: Glaube ohne Erfahrungen ist „tot“.

    Glaube nach biblischem Zeugnis ist jedoch so wie ich es verstehe eine Gabe Gottes, gewirkt durch das Wort Gottes und exklusives Mittel, durch welches der Mensch grundsätzlich Zugang zum Heil, allen weiteren Segnungen Gottes und auch geistliche Erkenntnis erlangt (Hebr11).

    LG
    Andreas

  • Simon

    Das ist etwas, was man wirklich oft hört, die Forderung nach einem „praktisch erfahrenen Glauben“, der sich meist in bestimmten geforderten Gebetserhörungen oder besonderen „Erlebnissen“ mit Gott zeigen soll. Natürlich wird sich der Glaube, den ich habe, auf alle Aspekte meines Lebens auswirken, er beinflusst wie ich denke und wie ich handle, überhaupt wie ich lebe, Aber die Aufforderung besonderen „Erlebnissen“ mit Gott nachzujagen oder „seine Nähe und Gegenwart zu spüren“, finde ich in der Schrift nicht.

    Hinsichtlich des wort-gewirkten Glaubens würde ich dir zustimmen. Ich fand die Betrachtungen in Bernhard Kaisers Buch „Christus Allein“ dazu sehr interessant und bedenkenswert. Hatte bis dahin solches noch nicht gelesen und es hat mir sehr geholfen, hier einmal einen zuerst sehr ungewohnten, aber auch nachvollziehbaren Ansatz zu finden, was die Frage angeht, was christlicher Glaube eigentlich ist.

    LG
    Simon

  • apologet

    Sehe ich ähnlich. Erfahrungen macht der Mensch so oder so. Es bleibt die jeweilige Interpretation. Habe hier dahingehend ein paar interessante Gedanken gelesen.

    Das Buch von Dr. B. Kaiser – Christus allein – war für mich auch ein „Augenöffner“ in diesem und anderen Themen. Das hab ich ihm auf der Konferenz in Heidelberg letztes Jahr sagen können. Freue mich ihn dieses Jahr als Sprecher zu erleben.

    LG
    Andreas

    • Simon

      Hallo Andreas

      Danke für den Link. Es soll auf jeden Fall nicht das Ziel sein, gegen Erfahrungen zu sein, nein, natürlich gibt es sie und ich habe im Zusammenhang mit meinem Glauben auch mitunter sehr tiefe Emotionen und Erfahrungen gemacht, aber sie dürfen nicht das sein, was mir Orientierung gibt. Aber natürlich: Jemand, der seinem Herrn und Heiland emotional gleichgültig gegenübersteht, würde mir durchaus mehr Sorgen machen als jemand, der vielleicht ein bisserl zu sehr in seinen Erlebnissen schwelgt.

      LG
      Simon

  • apologet

    Hi Simon,

    nein, gegen Erfahrung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Erfahrungen gehören fundamental zum Menschsein dazu. Allerdings existiert innerhalb der evangelikalen Bewegung eine starke Strömung, bei der man richtiggehend von einer „Erfahrungstheologie“ sprechen kann. Exemplarisch möchte ich nur mal in Auszügen den Leserbrief eines EFG-Pastoren zitieren:

    „Natürlich ist ein Überbetonen von Erfahrungen ein gefährlicher Weg. Aber ein Glaube, der nicht durch Erfahrungen bestätigt wird, kann Irrlehren jeglicher Art die Tür öffnen. […] Ein steriler, erfahrungsloser Glaube hingegen, der sich nur auf Dogmen und biblische Richtigkeiten stützt, ist nicht nur arm, sondern wahrscheinlich sogar tot.“ Kurt Witzemann, Pastor i. R. (Idea-Spektrum Nr.8, 23.02.2011, Seite 51)

    Erfahrungen werden von Pastor Witzemann zu einer Alternative respektive zu einem Ersatz der Schrift erklärt, sollen vor Irrlehre schützen und Glauben bestätigen. Einer solchen Theologie muß m.E. widersprochen werden, da Gläubige dadurch falsch gelehrt und geprägt werden.
    LG
    Andreas
    PS: Dachte eingentlich Dich schon verlinkt zu haben… aber das scheint bei meinem Datenbankcrash verlorengegangen zu sein.

  • Simon

    Hallo Andreas
    Ich würde da durchaus gegenteilig argumentieren, dass gerade Erfahrungen, die alternativ oder zusätzlich zur Schrift stehen, die Tür für irrige Vorstellungen und Lehren öffnen. Ich denke, die Grundlage des Glaubens wird so falsch herum gelegt. Nicht umsonst mahnt Paulus zum Festhalten an dem, was überliefert worden ist, nicht zu dem, Erfahrungen zu suchen um so den Glauben zu stärken. Zu Bedenken ist auch, dass Wahrheit nicht meine Erfahrung braucht um wahr zu sein.

    LG
    Simon

  • Foxboy

    Hallo,

    wenn man das Buch von Schwarz selbst gelesen hat, stellt man fest, dass die Kritik von Brenscheidt nicht zutreffend ist. Es ist vielmehr ein typischer Verriss, wo alles, was nicht zu 100% in das eigene Schema passt, gleich „unbiblisch“ ist.
    Gehört Gefühl nicht zum Glauben? Gehört Mystik nicht zum Glauben? Hab 3, 18;
    Apg. 11,5; Apg. 22, 17; 1. Petr. 1,8; Luk 15, 32 usw.

    Dabei überliest Brenscheidt ganz offensichtlich alles, was Schwarz denen schreibt, die sich einseitig auf das Gefühl verlassen, nämlich dass die Schrift Grundlage sein muss für unseren Glauben, und dass die rechte Lehre uns vor Schwärmerei bewahrt. Aber das passt ja nicht in das Konzept seines Verisses, darum erwähnt er es wohl auch nicht. Selten so eine einseitig vorsätzlich negative Betrachtungsweise gesehen. Ich kann nicht verstehen, dass Du so eine unqualifizierte Rezension hier reinstellst.

    Fox

    • apologet

      Hi Fox,
      neben dem „Gabentest“ und „Die natürliche Gemeindeentwicklung“, welche ich beide gelesen habe, ist mir die Theologie von Schwarz grundsätzlich nicht unvertraut. Zwar habe ich das hier besprochene Buch nicht gelesen, aber ich vertraue der Rezension Brenscheidt’s aufgrund meiner sonstigen Kenntnis. Dabei stehe ich der Theologie von Schwarz kritisch und ablehnend gegenüber.

      Zu Deinen allgemeinen Fragen:
      Gefühl gehört elementar zum Menschsein, insofern sind Gefühle und Glaube (im Positiven und Negativen) nicht voneinander zu trennen. Allerdings gehören Gefühle grundsätzlich zu unserer gefallenen und kompromitierten Natur und sind aus diesem Grund in Glaubensfragen nicht tragfähig.
      Gehört Mystik zum Glauben? Ich meine nein. Die von Dir angeführten Bibelstellen haben nichts mit Mystik zu tun. Mystik im Sinne von unmittelbarer Gotteserfahrungen, einem Gott Schauen sind schwärmerische Erfahrungen, welche nach meinem Dafürhalten keinen biblischen Rückhalt besitzen.

      Zu den konkreten Fragen wird sich T. Brenscheidt besser selber äußern.
      LG
      Andreas

      • Foxboy

        Nun, Verstand gehört auch zur gefallenen menschlichen Natur und wäre demzufolge ebensowenig tragfähig 🙂

        Die Bibelstellen, die ich angeführt habe, sprechen durchaus von mystischen Erfahrungen. Wie anders willst Du z.B. den Begriff der „exstasis“, der „Verzückung“ deuten? Wie anders willst Du prophetische Visionen deuten, von denen es in der Bibel nur so wimmelt? „Kein biblischer Rückhalt“ ist da wohl eine Frage deiner Definition.

        Natürlich kann man über alles diskutieren und alles aus einer bestimmten Sicht heraus ablehnen oder befürworten. Zu einer ausgewogenen Sichtweise gehört für mich, den Standpunkt des Anderen mit dem „Mindestmaß an Sympathie zu würdigen, ohne das kein Verstehen möglich ist.“ Dieses Mindestmaß sehe ich hier nicht. Hier wird das rausgesucht, was einem nicht passt und dann alles pauschal abgelehnt.

        Fox

        • apologet

          Hallo Fox,
          recht hast Du, auch der Verstand fällt darunter. Vor nicht allzu langer Zeit hat der aktuelle Papst das Spannungsverhältnis von „Glaube und Vernunft“ thematisiert… diese Frage ist sowohl uralt, als auch aktuell. Bereits die Schrift greift das Thema auf und konstatiert, das Gottes Gedanken höher sind als unsere Gedanken…

          Zum Begriff „Verzückung“ (exstasis): Nach meinem Verständnis wird in Apg22:17 das Offenbarungsgeschehen in Worte gefaßt, der bestimmten Männern in der Offenbarungsgeschichte zuteil wurde, nämlich Propheten und Apostel. Und nur weil der deutsche Begriff „Ekstase“ einen mystischen Beigeschmack besitzt, heißt das für den griechischen Begriff noch lange nicht dasselbe. An anderen Stellen wird „exstasis“ ja auch völlig anders übersetzt. Offenbarung besitzt nach meinem Verständnis zudem erstens nichts mystisches und war zweitens ohnehin auf wenige biblische Personen begrenzt. Daraus zu schlußfolgern das „Mystik“ eine biblisch legitimierte Glaubensform wäre, besitzt m.E. keine biblische Grundlage.

          Ob man nun jeden Standpunkt mit „Symphatie“ würdigen muss, bezweifle ich darüber hinaus auch sehr stark. Aber ich denke das sich T. Brenscheidt noch dazu äußern wird.
          LG
          Andreas

      • Johannes G.

        Hallo Andreas,

        Allerdings gehören Gefühle grundsätzlich zu unserer gefallenen und kompromitierten Natur und sind aus diesem Grund in Glaubensfragen nicht tragfähig.

        Gilt das nicht auch für alle anderen Bereiche des „Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsapparats“? Die Schrift kann z.B. nicht ohne das Werkzeug des Intellekts studiert werden und der scheint – u.a. wenn man sich die Unterschiede in den Auslegungen anschaut – nicht gerade unanfällig zu sein 😉 Auch der Glaube selbst ist ohne das Merkmal der Rationalität bzw. Vernunft nicht erfassbar. Das sieht man spätestens dann, wenn man seinem Blumenkohl im Garten oder seiner Katze das Evangelium predigt.

        Vielleicht verstehe ich dich auch falsch, aber mir scheint das angeführte Argument für eine klare Abgrenzung nicht tauglich zu sein. Ich würde sagen „Gefühle“ sind i.d.R. eher anfälliger, die eigene Wahrnehmung zu verzerren und sollten durch die Vernunft bzw. Auslegung der Schrift kontrolliert werden.

        Irrtum ist immer möglich und betrifft jeden von uns in unterschiedlichen Bereichen in unterschiedlichem Maße. Daher sind der Dialog bzw. die Diskussion auch wichtige Werkzeuge. Die Tugenden der Barmherzigkeit und der Demut sollten dabei jedoch nicht geopfert werden. Leider gelingt mir das selbst auch oft nicht so, wie ich mir das von anderen mir gegenüber wünsche… 😉

        Schöne Grüße
        Jo

        • apologet

          Hallo Johannes,
          ja, das meine ich auch: Jede menschliche Wahrnehmung steht m.E. unter dem Vorbehalt unserer vollkommenen Verdorbenheit. Insofern steht eben das Wort Gottes als untrüglicher Richter auch über dem menschlichen Verstand bzw. Wunsch alles begreifen zu wollen/können. Natürlich bleibt aber unsere Vernunft das primäre Mittel – wie Du schreibst – um die Schrift zu studieren und zu verstehen.

          Wenn ich nun aber T. Brenscheidts Kritik richtig verstanden habe und mich meine Erinnerung nicht trügt, steht Christian A. Schwarz einem schwärmerischen Denken durchaus offen gegenüber. In dieser Hinsicht, also dem Erkennen Gottes in Gefühls- oder mystischen Erfahrungen, sind m.E. Gefühle immer irreführend. Das ist es, was T. Brenscheidt n.m.D. zu Recht kritisiert.
          LG
          Andreas

  • Thorsten Brenscheidt

    Mir scheint, Fox hat weder das Anliegen von Christian Schwarz noch von mir verstanden. Schwarz schreibt an keiner Stelle, dass Gefühle oder Mystik wichtiger seien als Erkenntnis. Bei ihm ist alles gleichberechtigt – und das ist eben das Problem. Ich bestreite nicht, dass zum Glauben auch Gefühle gehören, aber sie können nicht mit der Erkenntnis konkurieren. Gefühle spielen nicht die Hauptrolle, auch bei Schwarz nicht, sondern nach der Schrift eher eine untergeordnete Rolle. Und das sieht Schwarz anders. Jeder „Stil“ bedürfe der Ergänzung des anderen. Das habe ich ausdrücklich erwähnt. Und das impliziert, dass jeder Stil seine Stärken und Schwächen hätte. Diese einzelnen Stärken und Schwächen zu zitieren, hätte den Rahmen gesprengt. An keiner Stelle schreibt Schwarz, bestimmte Stile seien besser oder wichtiger. Mein Kritikpunkt liegt darin, dass einander gegensätzliche Stile gleichberechtigt seien – frei nach dem Motto: „Du bist bibelzentriert – ich bin eben mystisch!“ Jeder dürfe so Christ sein, wie es seinem Wohlgefühl am besten passt. Mit solch einer Haltung kann sich dann letztendlich jeder von den eindringlichen Worten der Apostel verabschieden und sich in seinem „eigenen“ Glauben selbst verwirklichen.