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Artikelreihe – Calvin privat

calvin artikelserieCalvin privat – Der große Reformator war eher schüchtern
von Dr. Achim Detmers

Hinter dem großen Reformator Johannes Calvin verbirgt sich auch der „Mensch Calvin“. Diese privaten Seiten des Genfer Reformators werden selten erwähnt.

Schon die Verhältnisse seines Elternhauses sind vielen unbekannt: Calvins Vater war ein sozialer Aufsteiger, der es bis zum Kirchenanwalt des Domkapitels in Noyon brachte. Seine Ehefrau starb sehr früh, sodass Calvin mit insgesamt fünf Geschwistern von seiner Stiefmutter großgezogen wurde.

Der Bruder Antoine und die Halbschwester Marie lebten später mit Calvin in Genf. Aber der Einblick ins Private zeigt noch mehr: Der große Reformator war eher schüchtern und wäre lieber Privatgelehrter geworden. Es dauerte, bis er sich entschloss zu heiraten, und es bedurfte dazu mehrerer vergeblicher Anläufe. Schließlich ›verkuppelte‹ Martin Bucer den 31jährigen mit der jungen Witwe Idelette de Bure. Es wurde eine glückliche Ehe. Gemeinsame Kinder hatten Calvin und Idelette aber nur ein einziges – den Sohn Jacques; er war eine Frühgeburt und lebte nur wenige Tage. Idelette war seit dem Tod des kleinen Jacques gesundheitlich in Mitleidenschaft gezogen und erholte sich davon nie mehr richtig. 1549 starb sie in Genf.

Calvin hat den Tod seiner Frau sehr betrauert. Er konnte seine Arbeit nur mit allergrößter Mühe wieder aufnehmen. Auch sonst erfahren wir aus den zahlreichen Briefen Calvins, dass der Reformator nahe am Wasser gebaut war. Häufig konnte er nicht an sich halten, so z. B., als er von den schlimmen Verfolgungen an den Waldensern erfuhr. Oder als er sich entscheiden musste, ob er in Straßburg bleiben oder nach Genf zurückkehren wollte.

Calvin hat den frühenVerlust seiner Mutter, die Vertreibung aus Frankreich und den Tod Idelettes durch übermäßiges Arbeiten kompensiert. Er entwickelte sich zum Workaholic. Über 100 Schriften entstammten seiner Feder. Pro Woche predigte er dreimal, regelmäßig hat er spätabends noch gearbeitet und manchmal nur vier Stunden geschlafen. 1553 beklagte er sich, dass er schon seit einem Monat nicht mehr zum Stadttor hinausgekommen sei, um frische Luft zu schnappen.

Trotzdem wissen wir, dass Calvin gelegentlich auch Urlaub machte. So fuhr er z.B. 1550 mit seinem Freund Viret über den Genfer See ins Waadtland und genoss dort die Landluft. Außerdem hat Calvin auf ärztlichen Rat hin häufiger Spaziergänge unternommen und ist regelmäßig ausgeritten – ein damals bewährtes Mittel zum

Abgang von Nierensteinen. Calvin hätte solche Auszeiten häufiger gebraucht, denn seine Gesundheit war durch die intensive Arbeit schwer angeschlagen. Neben den Nierensteinen litt er vor allem unter Migräne; manchmal fiel er tagelang aus, lag auf seinem Bett in einem verdunkelten Raum und konnte nur notdürftig Briefe diktieren. Aber die zunehmenden Verfolgungen der Protestanten in Frankreich machten es ihm schwer, untätig zu bleiben.

Gegen Ende seines Lebens konnte Calvin das Bett nicht mehr ohne fremde Hilfe verlassen, die Gicht in den Beinen quälte ihn sehr. Zudem litt er unter Tuberkulose und Lungenbluten. Trotzdem versuchte er weiter, einige Arbeiten zu verrichten. Am 27. Mai 1564 starb er jedoch im Alter von 54 Jahren. Unter großer Anteilnahme wurde er auf dem allgemeinen Friedhof von Plainpalais ohne Grabstein beigesetzt. Der Nachwelt blieb das Bild des arbeitsamen, sittenstrengen Reformators, der zunehmend zur Zielscheibe konfessioneller Polemik wurde.

Vergessen werden dabei die anderen Seiten Calvins und die Notwendigkeiten seiner Zeit. Überraschend ist für viele, dass Calvin durchaus Sinn für Spiele hatte (Billard, Schlüsselspiel). Auch Kartenund Würfelspiele fand Calvin nicht grundsätzlich verwerflich; seine Erfahrung aber war, dass Glücksspiele mit Geldeinsatz manche Menschen süchtig machten. Dies war für die vielen männlichen Flüchtlinge in Genf eine große Gefahr. In Verbindung mit Alkohol konnten solche Spiele sogar ganze Familien zugrunde richten. So sehr Calvin selbst das Spielen auch schätzte, um des sozialen Friedens willen befürwortete er das seit Jahrzehnten in Genf geltende Glückspiel verbot.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung durch Dr. Achim Detmers
Calvin-Beauftragter der EKD und des Reformierten Bundes

zuerst veröffentlicht durch „Lippe Evangelisch“: Heiter und frohen Herzens
reformiert-info.de: „Achim Detmers ist Calvin-Beauftragter
calvinismus.ch: Jean Calvin