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Die Offenbarung – Christus oder Cäsar?

Zukünftige Katastrophe oder zeitlose Enthüllung?

Das Buch der Offenbarung von Jesus Christus, ein Brief an die sieben Gemeinden in Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea, ist für die meisten sprichwörtlich ein „Buch mit sieben Siegeln“, oft mit spekulativ-apokalyptischer Interpretation. Der Begriff „Offenbarung“ (griech. »apokalyptein«) bedeutet „enthüllen, entlarven, aufdecken, offenlegen“ und hat ursprünglich nichts mit einem katastrophalen Ende der Welt zu tun.

Müßige Spekulationen beiseite lassend, kann davon ausgegangen werden, dass Johannes diesen Brief nicht nur als Ermutigung und Trost für die Christen damaliger Zeit geschrieben hat, vielmehr als zeitlos-praktischen Leitfaden für Christen aller Zeiten und Orten, im Umgang mit politischer Macht in dieser Welt.

Aelius Aristides, ein Zeitgenosse des Johannes und Bürger der Stadt Smyrna pries das Römische Reich in seiner Romrede *¹ in den höchsten Tönen (vgl. auch die Kalenderinschrift von Priene *²). Johannes enthüllt die Welt, den Staat und die Gesellschaft, wie sie tatsächlich ist, deckt das Unrecht des imperialen Alltags auf *³.

Johannes vermittelt in der Offenbarung neben Trost in Bedrängnis und Verfolgung auch Aufklärung über politische Macht allgemein, darüber, wer oder was sich tatsächlich hinter dieser verbirgt. Er macht Mut, fordert zu bedingungsloser Hingabe an Christus und Widerstand auf und gibt einen Ausblick auf das gute Ende und die letztendliche Belohnung.

Christus oder Cäsar?

Der Autor analysiert das damalige Römische Reich und liefert eine scharfe Kritik an politischer Herrschaft. Er thematisiert die Verfolgung der Kirche, attackiert den Kaiserkult, warnt die Gläubigen vor Verführung, ringt darum, dass die Christen keine Kompromisse mit politischer Macht eingehen, eher Märtyrer werden. Der Kaiserkult steht für die Gefolgschaft Cäsars und die Unterdrückung der Schwachen.

Trost und Ermutigung steht eindeutig der Ermahnung von Lauheit und Kritik an Anpassern bzw. Aufforderung zur Absonderung gegenüber. Eine Unterordnung unter politische Herrschaft (Cäsar), eine Anpassung an die Gesellschaft (Rom/Babylon) oder liberale Theologie ist unvereinbar mit der Treue zu Christus (»Verlass die Stadt, mein Volk!« | Offb18:4) und seinem Evangelium *⁴. Das System politischer Macht und Herrschaft, die Reiche und Herrscher dieser Welt werden gerichtet werden.

Thema der Offenbarung ist also nicht die Zukunft, das Buch der Offenbarung vielmehr eine radikale Antithese zur damals herrschenden politischen Macht, dem Römischen Reich, welches zeitlos stellvertretend für die Mächtigen bzw. politische Herrschaft steht. Christus selbst thematisiert dieses Frage bspw. in Mk 12,17. Thema der Offenbarung ist die Frage, wie Christsein, das Evangelium inmitten politischer Macht und politisierter Gesellschaft gelebt werden kann und soll, was es bedeutet, im Widerspruch zu Gesellschaft und Staat zu leben.


*¹ »Ringsherum erstrecken sich gewaltig in gewaltiger Ausdehnung die Festländer, welche euch stets reichlich mit dem versorgen, was es in ihnen gibt. Herbeigeschafft wird aus jedem Land und jedem Meer, was immer die Jahreszeiten wachsen lassen und alle Länder, Flüsse und Seen sowie die Künste der Griechen und Barbaren hervorbringen. Wenn jemand das alles sehen will, so muß er entweder den gesamten Erdkreis bereisen, um es auf solche Weise anzuschauen, oder in diese Stadt (Rom) kommen. Was nämlich bei den einzelnen Völkern wächst und hergestellt wird, ist notwendigerweise hier stets vorhanden, und zwar im Überfluß. So zahllos sind die Lastschiffe, die hier eintreffen und alle Waren aus allen Ländern von jedem Frühjahr bis zu jeder Wende im Spätherbst befördern, daß die Stadt wie ein gemeinsamer Handelsplatz der ganzen Welt erscheint. Schiffsladungen aus Indien, ja – wenn man will – sogar aus dem ‘glücklichen Arabien’, kann man in solchen Mengen sehen, daß man vermuten könnte, für die Menschen dort seien fortan nur kahle Bäume übriggeblieben, und sie müßten hierher kommen, um ihre eigenen Erzeugnisse zurückzufordern, wenn sie etwas davon bräuchten. Man kann wiederum beobachten, wie babylonische Gewänder und Schmuckstücke aus dem noch weiter entfernten Barbarenland in viel größerer Zahl und leichter hierher gelangen, als wenn es nötig wäre, von Naxos oder Kythnos nach Athen zu fahren, und Waren dorthin zu bringen. Eure Getreideländer aber sind Ägypten, Sizilien und der kultivierte Teil von Afrika. Das Ein- und Auslaufen der Schiffe hört niemals auf, so daß man sich nicht nur über den Hafen (Ostia), sondern sogar über das Meer wundern muß, daß es, wenn überhaupt, für die Lastschiffe noch ausreicht. Und was Hesiod von den Grenzen des Ozeans sagte, daß es einen Ort gebe, wo alle Wasser zu einem Anfang und zu einem Ende ineinanderströmen, geradeso kommt auch alles hier zusammen, Handel, Schiffahrt, Ackerbau, Metallveredelung, Künste, wie viele es auch gibt und je gegeben hat, und alles, was erzeugt wird und auf der Erde wächst. Was man hier nicht sieht, zählt nicht zu dem, was existiert hat oder existiert.« | Aelius Aristides, Romrede 11-13

*² »Da die unser Leben [auf göttliche Weise] ordnende Vorsehung, Eifer [an den Tag] legend und Großmut, das Leben mit dem Vollkommensten ausschmückt[e], indem sie Augustus ervorbrachte, den sie zum Wohl des Mensch[en]mit Tugend erfüllte, wodurch sie uns und denen nach uns [einen Retter] schickte, der Krieg beendete und [alles] ordnete; da [durch sein Erscheinen] [der] Kaiser die Hoffnungen [all] derer, die zuvor [gute Nachrichten vorweg] genommen hatten, überbot, weil er nicht nur die vor ihm lebend[en Wohltäter über-]traf, sondern auch für die künftig lebenden keine Hoffnung [auf Steigerung übrigließ]; da für die Welt der Anfang der durch ihn (veranlaßten) guten Nachricht[en] (griechisch: euangelia) [der Geburts]tag des Gottes war; […] Deshalb haben zu gutem Gelingen und zum Heil die Griechen in Asien den Beschluß gefaßt, daß der neue Jahresbeginn für all[e] Städte am neunten Tag vor den Kalenden des Oktober beginnt, welcher der Geburtstag des Augustus ist.« | Teile der Kalenderinschrift aus Priene in Ionien

*³ «Und nach diesem sah ich einen Engel aus dem Himmel herabsteigen, der hatte große Vollmacht, und die Erde wurde erleuchtet von seiner Herrlichkeit. Und er rief kraftvoll mit lauter Stimme und sprach: Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große, und ist eine Behausung der Dämonen geworden und ein Gefängnis aller unreinen Geister und ein Gefängnis aller unreinen und verhassten Vögel. Denn von dem Glutwein ihrer Unzucht haben alle Völker getrunken, und die Könige der Erde haben mit ihr Unzucht getrieben, und die Kaufleute der Erde sind von ihrer gewaltigen Üppigkeit reich geworden. Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel, die sprach: Geht hinaus aus ihr, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht von ihren Plagen empfangt! Denn ihre Sünden reichen bis zum Himmel, und Gott hat ihrer Ungerechtigkeiten gedacht. Vergeltet ihr, wie auch sie euch vergolten hat, und zahlt ihr das Doppelte heim gemäß ihren Werken! In den Becher, in den sie euch eingeschenkt hat, schenkt ihr doppelt ein! In dem Maß, wie sie sich selbst verherrlichte und üppig lebte, gebt ihr nun Qual und Leid! Denn sie spricht in ihrem Herzen: Ich throne als Königin und bin keine Witwe und werde kein Leid sehen! Darum werden an einem Tag ihre Plagen kommen, Tod und Leid und Hunger, und sie wird mit Feuer verbrannt werden; denn stark ist Gott, der Herr, der sie richtet. Und es werden sie beweinen und sich ihretwegen an die Brust schlagen die Könige der Erde, die mit ihr Unzucht getrieben und üppig gelebt haben, wenn sie den Rauch ihrer Feuersbrunst sehen; und sie werden von ferne stehen aus Furcht vor ihrer Qual und sagen: Wehe, wehe, du große Stadt Babylon, du gewaltige Stadt; denn in einer Stunde ist dein Gericht gekommen! Und die Kaufleute der Erde weinen und trauern über sie, weil niemand mehr ihre Ware kauft, Ware von Gold und Silber und Edelsteinen und Perlen und feiner Leinwand und Purpur und Seide und Scharlach und allerlei Tujaholz und allerlei Elfenbeingeräte und allerlei Geräte aus wertvollstem Holz und aus Erz und Eisen und Marmor, und Zimt und Räucherwerk und Salbe und Weihrauch und Wein und Öl und Feinmehl und Weizen und Vieh und Schafe und Pferde und Wagen und Leiber und Seelen der Menschen. Und die Früchte, nach denen deine Seele begehrte, sind dir entschwunden, und aller Glanz und Flitter ist dir entschwunden, und du wirst sie niemals mehr finden. Die Verkäufer dieser Waren, die von ihr reich geworden sind, werden aus Furcht vor ihrer Qual von ferne stehen; sie werden weinen und trauern und sagen: Wehe, wehe!, die große Stadt, die bekleidet war mit feiner Leinwand und Purpur und Scharlach und übergoldet mit Gold und Edelsteinen und Perlen! Denn in einer Stunde wurde dieser so große Reichtum verwüstet! Und jeder Kapitän und die ganze Menge derer, die auf den Schiffen sind, und die Matrosen, und alle, die auf dem Meer arbeiten, standen von ferne und riefen, als sie den Rauch ihrer Feuersbrunst sahen: Wer war der großen Stadt gleich? Und sie warfen Staub auf ihre Häupter und riefen weinend und trauernd: Wehe, wehe!, die große Stadt, in der alle, die Schiffe auf dem Meer hatten, reich gemacht wurden durch ihren Wohlstand! Denn in einer Stunde ist sie verwüstet worden! Freut euch über sie, du Himmel und ihr heiligen Apostel und Propheten; denn Gott hat euch an ihr gerächt! Und ein starker Engel hob einen Stein auf, wie ein großer Mühlstein, und warf ihn ins Meer und sprach: So wird Babylon, die große Stadt, mit Wucht hingeschleudert und nicht mehr gefunden werden! Und der Klang der Harfenspieler und Sänger und Flötenspieler und Trompeter wird nicht mehr in dir gehört werden, und kein Künstler irgendeiner Kunst wird mehr in dir gefunden werden, und der Klang der Mühle soll nicht mehr in dir gehört werden; und das Licht des Leuchters wird nicht mehr in dir scheinen, und die Stimme des Bräutigams und der Braut nicht mehr in dir gehört werden. Denn deine Kaufleute waren die Großen der Erde, denn durch deine Zauberei wurden alle Völker verführt. Und in ihr wurde das Blut der Propheten und Heiligen gefunden und aller derer, die hingeschlachtet worden sind auf Erden.» | Offenbarung18:1-24

*⁴ Evangelium (griech. »eu-angélion«) bedeutet „gute Nachricht“ oder konkreter „Siegesbotschaft“. In der römischen Kaiserzeit hießen Botschaften, die vom Kaiser ausgingen oder sich auf ihn bezogen, Evangelium. Mit der Übernahme dieses Begriffes erklärte Christus seinen Anspruch gegenüber dem Imperium, die eigentliche „gute Nachricht“ zu verkünden.