Literatur,  Theologie

Kopfermann wähnt Luther "widerlegt"…

Wolfram Kopfermann hat ein neues Buch geschrieben: „Heiligung – Teilhabe an der neuen Schöpfung: Biblische Grundlegung und geistliche Einübung“ . Ausgangspunkt dafür dieses zu kaufen war, in einer Forumsdiskussion über die paulinische Sprachfigur des „in Christus-Sein“ begründet mitreden zu können. Er möchte aus „Martin Luthers langem Schatten“ treten und eine neue Spiritualität begründen. Desweiteren möchte ich auf das Buch von Bernhard Kaiser: „Christus allein“ hier verweisen, welches diese Frage aus – biblisch-reformatorischer Sichtweise behandelt.

 

 

 

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In dem ersten Teilband seines Buches unternimmt Kopfermann erklärterweise den Versuch grundlegend das lutherisch-reformatorische Prinzip des „simul iustus et peccator“ zu widerlegen, und versucht weiter thesenhaft eine theologisch tragfähige Dogmatik für eine neue spirituell-erfahrbare „Christuswirklichkeit„, dem „in Christus-Sein„, zu entwickeln. Der akademische Anspruch seiner Ausführungen ist jedoch nicht in der Lage, die zutage tretenden Widersprüche zu überdecken.

Er wendet sich explizit an „evangelikale und charismatische Zielgruppen“ (Seiten 9u.15), stellt ein Kernprinzip der reformatorischen Rechtfertigungslehre mit dem Anspruch in Frage, auch Luther müsse anhand der Schrift (sola scriptura) überprüfbar bleiben (Seite12), greift aber bei seiner argumentativen Puzzlearbeit „fremder exegetischer Kompetenz“ überwiegend auf die Expertise liberaler Bibelwissenschaft respektive Theologen zurück (Seite14). Es zeichnet Kopfermann – im Gegensatz zu anderen charismatischen Buchautoren -zweifelsohne aus, das er die Quellen seiner Lehre transparent macht, erscheinen jedoch zumindest Evangelikale als Zielgruppe des Buches als verfehlt. Wird doch sowohl in der Attitude bzw. dem Axiom als auch der Methodik der liberalen Bibelwissenschaft der Grundsatz des sola scriptura geleugnet.

Es gelingt Kopfermann nicht wie in den Kommentaren zu den Kapiteln ausgeführt, seine These mit dem biblischen Befund in Übereinstimmung zu bringen. Zumeist unbemerkt jedoch auch von ihm selbst eingestanden werden Argumentationsbrüche und klare Widersprüche sichtbar.

 

Mit dem zweiten Teilband faßt Kopfermann offensichtlich die zweite Zielgruppe fester ins Auge. Es geht um „die Bedeutung persönlicher Offenbarung„. Der Unterschied des zweiten Teilbandes, „Einübung„, zum ersten ist gravierend und man merkt, das der Boden „systematischer Bibelwissenschaft“ bzw. selbst der schlichten Schriftauslegung verlassen wird und für das nachfolgend Ausgeführte in der Tat kontraproduktiv wäre.

Kopfermann führt eine Unterscheidung zwischen einem lediglich formalen, „äußeren Verstehen“ und einem „inneren Verstehen“ ein und definiert letzteres wie folgt (S.117): „Diesen Vorgang nennen wir persönliche Offenbarung“ . Wer ist „wir“ möchte man fragen. Auch hier wird ein klarer Bruch zum reformatorischen Prinzip der äußeren Klarheit der Schrift deutlich.

Als Beispiel führt er die „Damaskus-Erfahrung“ des Paulus an (Gal1,16) und versucht seine diesbezügliche Sichtweise über die Apostelschaft (Eph3,5) insgesamt hinaus, auf alle Christen (1Kor2,9-10) zu übertragen, ordnet beispielsweise selbst das „Zum-Glauben-Kommen“ darunter ein (S.118).

Man staune! Nicht durch das Wort Gottes gelangt man also nach Kopfermann zum Glauben, sondern durch „persönliche Offenbarung“. Wir stellen fest, daß reformatorische Mäntelchen wird vollends abgestriffen. Eine nicht aus dem Wort abzuleitende Ansicht wird in die Schrift hinein transportiert [Eisegese]. Ohne seine Lehraussage biblisch zu begründen, behauptet er sogar, das es jeweils „persönlicher Offenbarung“ bedürfe um zu einem „inneren Verstehen“ verschiedener geistlicher Wahrheiten zu gelangen (S.118). Wer sein Verständnis von dem „in Christus-Sein“ nicht besitzt, habe nur „äußeres Verstehen„. Eine so durchscheinend wie zu erwartende – nichtsdestotrotz entlarvende – Begründung. Charismatische Sonderlehren legitimiert durch „persönliche Offenbarung . Als Kronzeugen beruft er sich u.a. auf die Erfahrungen W. Nee’s.

Ein solches Verständnis ist der Bibel absolut und vollkommen fremd. Zum Glauben gelangt der Mensch durch die Verkündigung des Wortes in welchem die wahrhafte Offenbarung vorliegt (Tit1,3), also der Schriftauslegung (Röm10,17), im Wort Gottes allein liegt die Kraft Gottes zu Rettung (Jak1,21), ein tieferes Verständnis geistlicher Wahrheiten erhält der Gläubige durch das Studium der Schrift (Ag17,11) und nicht durch mystisch-spirituelle Erfahrungen in seiner Seele, seinem Empfinden. An keiner Stelle wird das Prinzip einer notwendigen „persönlichen Offenbarung“ gelehrt.

Die Quellen der neuen Erkenntnis Kopfermann’s sind also zum einen liberale Bibelkritik und zum anderen mystische, der Ratio entzogene Erkenntnis.

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theoblog.de: Schleiermachers erfahrungstheologische Begründung des Glaubens