Allgemein,  Theologie

Die christliche Familie – alles heilig oder was?

Bereits die Bezeichnung „christliche Familie“ besitzt Irritationspotential. Aufgrund des ausgeprägten Individualismus bzw. Pluralismus unserer Zeit und Kultur, wird Glaube als Privatsache des Einzelnen verstanden. Vielfach wird daher schon die Tendenz zu einer religiös orientierten Lebensgemeinschaft kritisch als vereinnahmend oder gar intolerant hinterfragt. Die freie Entfaltung einer jeden Persönlichkeit, Selbstbestimmtheit etc. wird angemahnt, angestrebt und eingefordert.

Ich halte, um das vorweg zu sagen, das Thema der Familie für eine der wichtigsten, drängendsten Fragen der Gemeinde. Wodurch – um alles in der Welt – wird Familie, im Kontext unserer Zeit, als „christlich“ definiert, woran erkennt man eine solche und was macht diese unterscheidbar?

Ob sich die Gemeinde darum kümmert oder nicht, es ändert nichts daran, das dieses Thema allen gleichermaßen gestellt ist.

Das Leben aller Familien wird entscheidend geprägt und bestimmt von grundlegenden Aspekten der Erkenntnis (Gottes- und Menschenbild) der daraus abgeleiteten Zielsetzung (Maßstäbe, Ziele) und der Umsetzung (Alltagsleben).

Christen – jeder Epoche – den jeweiligen Einflüssen ihrer Zeit und Kultur ausgesetzt, haben diesen mal mehr, mal weniger ihr eigenes Verständnis bzw. ihre eigenen Maßstäbe entgegengesetzt.

Wie sieht es aktuell aus? Dem bloßen Augenschein nach, läßt sich eine christliche Familie heute nur schwer von anderen Familien zu unterscheiden.

Die durchschnittliche christliche Familie, weist in der Regel diesselben Individualisierungtendenzen  auf wie alle anderen. Gesellschaftliche Akzeptanz und Relevanz spielen eine große Rolle. Schulische wie außerschulische Förderung der Kinder, Vereine, Hobbys und Freunde nehmen Familien fast rund um die Uhr in Beschlag. Die Eltern, nicht selten beide berufstätig, nutzen die verbleibene Zeit – wenn überhaupt – um mit den Kindern Freizeitaktivitäten nachzugehen, oder parken diese vor den Segnungen der medialen Welt.

Äußerlich bzw. alltäglich gesehen, existiert kein entscheidender Unterschied zwischen christlichen und anderen Familien.

Aber halt! Einzuwenden ist beispielsweise der sonntägliche Gottesdienstbesuch, der Kindergottesdienst, die Jungschar, Jugend etc.. Das Gebet vor den Mahlzeiten und vor dem Zubettgehen..

Rein formal läßt sich eine christliche Familie also durchaus am wöchentlichen Gottesdienstbesuch erkennen. Aber ist das ausreichend bzw. wird dies dem biblischen Anspruch gerecht?

Da ein Christ nicht sich selbst gehört, sondern mit einem Preis erkauft wurde, soll er darauf bedacht sein, Gott in jeder Lebenssituation zu verherrlichen. Egal welche Stellung er innehat oder an welchem Ort er sich befindet, er soll ein Zeugnis für Christus sein. Neben der Gemeinde Gottes soll sein eigenes Heim der Bereich sein, in dem seine Hingabe an Christus am deutlichsten wird. Alle Gepflogenheiten sollten das Siegel seiner himmlischen Berufung tragen. Alle Gewohnheiten sollten so angelegt sein, dass jeder, der eintritt, merkt: „Gott ist hier!“ Arthur D. Pink

Wilhelm Faix hat eine Umfrage unter evangelikalen Familien durchgeführt (Die christliche Familie heute – Ergebnisse einer Untersuchung). Folgendes stellt er fest:

  • 34% dieser Familien praktizieren keine gemeinsame Bibellese mit den Kindern .
  • 19% beten nicht mit ihren Kindern.
  • 47% der so aufgewachsenen Kinder geben an, dass sie beten und Bibellesen nicht bei ihren Eltern gelernt haben.
  • 45% der Kinder geben an, dass ihre Eltern ihnen kein Vorbild im Glauben waren!
  • 63% der Teenager sagten, dass sie durch die Kinder- und Jugendarbeit gelernt haben zu beten und in der Bibel zu lesen.
  • 60% aller befragten Väter sagen, dass sie „wenig bis gar keine Zeit“ für ihre Kinder haben, was durch 26% der Jugendlichen bestätigt wird.

Diese Zahlen sollten Anlaß zur Sorge sein, denn sie bleiben nicht ohne Auswirkung auf die Gemeinde/Kirche. Allerdings ist dieses Phänomen nicht neu:

Es gibt viele Familien, die nicht morgens und abends anhaltend zu Gott betet, und noch mehr, in denen die Heilige Schrift nicht täglich gelesen wird, so dass das Wort Christi reichlich unter ihnen wohne. Es gibt zu viele Häuser, die voll von Ungewissheit und Gottlosigkeit sind und die nicht ausreichend überprüft werden. Aus diesem Grund kommt auf andere in ihrer Umgebung wie auch sie selbst Gottes Zorn (Jer22:20; Jer5:7; 10:25). Viele Haushaltsvorstande, die sich zum Glauben bekennen, kümmern sich nicht so wie sie es sollten darum,davo dass sich alle, die unter ihrem Dach leben, der guten Weisung fügen (2Mo20:10) … Die meisten Übel, die bei uns häufig vorkommen, entspringen der mangelnden Leitung in der Familie. Boston 1697, Synode Neuengland

Gottes Wort ist in dieser Frage eindeutig, die Familie ist der eigentliche Ort der religiösen Erziehung wie auch für der Bildung. Beides wird heute jedoch von anderen Instituten übernommen. Die geistliche Belehrung, liegt fast gänzlich in den Händen vieler zweifelsfrei motivierter Kindermitarbeiter der Gemeinden, Bildung wird als ausschließliche Aufgabe des Staates verstanden. Sowohl im Alten (Ps78; 5Mo6:1–9+20) wie auch Neuen Testament (Eph6:4; Kol3:21) waren jedoch die Familien, und hier primär verantwortlich die Väter sowohl für die religiöse Erziehung als auch für die Bildung.

Paulus spricht im Blick auf die Ehe zwischen Mann und Frau von einem „Geheimnis“ (Eph5:32). Auch die Anforderungen an Älteste und Diakone (1Tim3:1-7) lassen deutlich werden, daß das eine – die Gemeinde –  ohne das andere – die Familie – nicht gedacht werden kann, aufeinander wirkt und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Familie und Gemeinde existiert. Das innere Gefüge einer christlichen Familie soll von gegenseitiger Unterordnung und Liebe zwischen Mann und Frau, wobei der Mann das Haupt der Familie ist und dem Gehorsam der Kinder gekennzeichnet sein (Eph5:21-33; Eph6:1-4). Dabei kann der öffentliche Gottesdienst letztlich nur wiederspiegeln, was in den Häusern der Familien jeden Tag praktiziert und gelebt wird.

Unbestreitbar vorhandene Defizite der heutigen Christenheit und deren Kraftlosigkeit, haben ihren Ursprung nicht zuletzt im säkularisierten Familienleben der einzelnen Christen.

An dieser Stelle soll keineswegs pauschalisiert werden, aber es scheint nötig, Ursachen und Mängel zu erkennen und abzustellen. Ein – in der Schrift konkret benannter – Mangel, ist der Mangel an Erkenntnis (Hos4,6). In meiner eigenen, aber eigentlich auch in allen von mir besuchten bzw. bekannten Gemeinden war und ist biblische Unterweisung von Kindern, als Teil der Erziehung, grundsätzlich Aufgabe der Sonntagsschule und weiterführenden Gruppen gewesen. Weder in Lehre oder Praxis war die Verantwortlichkeit der Eltern für die biblische Unterweisung innerhalb der Erziehung  ein Thema. Von täglichen Familienandachten mit gottesdienstlichem Charakter ganz zu schweigen.

Das wirft die Frage auf, was denn „Erziehung“ eigentlich ist.

erziehen: „jmds. geistige, charakterliche Anlage entwickeln, ausbilden, fördern; ein Kind zu einem anständigen Menschen erziehen.“
Zucht
: „aufziehen von Lebewesen und Pflanzen; Gehorsam, Disziplin“ Bertelsmann Lexikon

Diese säkulare Definition enthält bereits zwei bekannte, biblische Begriffe: Zucht und Gehorsam.

Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht (ektrephō[1]) sie in der Zucht (paideia[2]) und Ermahnung des HERRN. Eph6:4

Diese Begriffe, rufen im Prinzip bei fast jedem Menschen in irgendeiner Weise Widerstand hervor (völlig unabhängig von der ’68-Bewegung bzw. der antiautoritären Erziehung). „Korrektur“, „Zurechtweisung“ wird in unserer Gesellschaft nicht geschätzt (egal ob auf Arbeit, in der Ehe oder Gemeinde) und „Erziehung“ wird oft mit Einschränkung, Verboten etc. gleichgesetzt. Speziell in Deutschland ist „Gehorsam“ fast ein Unwort… „ziviler Ungehorsam“ dagegen eine „Tugend“.

Die Schrift vertritt eine völlig andere Meinung:

Samuel aber sprach: Meinst du, dass der HERR Gefallen habe am Brandopfer und Schlachtopfer gleichwie am Gehorsam gegen die Stimme des HERRN? Siehe, Gehorsam ist besser als Opfer und Aufmerken besser als das Fett von Widdern. 1Sam15:22-23

So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden, Hebr5:8-9

Worum geht es denn, wenn wir von „Gehorsam“ reden?

Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Joh14:23

Gehorsam bedeutet letztlich nichts anderes als Gott zu lieben, Ihm zu dienen und steht in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Heil in Christus.

Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Röm12:1-2

Das Gegenteil von Gehorsam dagegen bedeutet tatsächlich Götzendienst:

Denn Ungehorsam ist Sünde wie Zauberei, und Widerstreben ist wie Abgötterei und Götzendienst. Weil du des HERRN Wort verworfen hast, hat er dich auch verworfen, dass du nicht mehr König seist. 1Sam15:23

Der eigentliche Sinn der „Erziehung“ ist demnach, Kinder mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln anzuleiten, zu ermahnen, zurechtzuweisen etc. damit diese Gott erkennen, gehorsam und erlöst werden. Dazu gehören einerseits die angesprochene Belehrung in Form von täglichen Andachten und andererseits die Vorbildfunktion. Kinder erkennen in dem unmittelbaren, tagtäglichen Zusammenleben, ob man selbst danach lebt, was man lehrt (Jak1:21-27).

sdg
apologet

[1] 1) zu nähren bis zur Reife, zu nähren 2) zu pflegen, aufzuziehen, großzuziehen
[2] 1) die gesamte Ausbildung und Erziehung der Kinder (was in Beziehung steht mit dem Ausbau von Geist und Moral, und zu diesem Zweck Befehle, Mahnungen, Zurechtweisung und Bestrafung benutzt) umfaßt auch die Ausbildung und Pflege des Körpers  2), auch die Korrektur von Erwachsenen Seelsorge, insbes. durch Fehlerkorrektur  und die Eindämmung der Leidenschaften. a) Anweisung, zur Erreichung von Ziele b) Strafe, Züchtigung, (der Übel, mit der Gott die Menschen besucht, ihre Anpassung)

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