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Evangelikale Gemeindemodelle und deren Evangelisationverständnisse

Mark Dever skizziert in seinem Buch, „9 Merkmale einer gesunden Gemeinde“ einleitend moderne, evangelikale Gemeindemodelle und deren Evangelisationverständnisse.  Ausgehend von der reformatorisch bzw. biblischen Erkenntnis “Wo auch immer wir das Wort Gottes unverfälscht gepredigt und gehört, die Sakramente gemäß der Einsetzung Christi ausgerichtet sehen, dürfen wir nicht zweifeln, dass dort eine Kirche Gottes existiert.” (Johannes Calvin, Institutio, Buch IV.1.9.) versucht er von diesen, 9 biblische Merkmale abzuleiten.

Mark Dever formuliert die Zielrichtung seines Buches wie folgt:

Dieses Buch stellt dar, wie man die biblische Predigt und Gemeindeleitung wiederentdecken kann in einer Zeit, in der allzu viele Gemeinden in einem rein äußerlichen und oberflächlichen Christentum und dem daraus folgenden Pragmatismus sowie Belanglosigkeiten stecken bleiben. Das Ziel vieler evangelikaler Gemeinden hat sich verschoben, nämlich weg von der Verherrlichung Gottes hin zu einem reinen zahlenmäßigen Wachstum – mit der Annahme, dass dieses Ziel, auf welchem Weg auch immer es erreicht wird – Gott verherrlichen muss. Mark Dever

Er unterscheidet evangelikalen Gemeinde in drei Typen, die unabhängig von anderen Unterscheidungsmerkmalen erkennbar werden:

Moderne evangelikale Gemeindemodelle und deren Evangelisationverständnis

  • liberal
    F.D.E. Schleiermacher -> Evangeliumsvermittlung durch Anpassung an den Zeitgeist (soziale Dienste)
  • besucherfreundlich
    Bill Hybels -> Evangeliumsvermittlung durch Anpassung an die Bedürfnisse (Musik)
  • traditionell
    Billy Graham -> Evangeliumsvermittlung durch Anpassung der Methodik (Programme)

Gemeinsamkeit und Schlüsselindiz  -> Relevanz und Resonanz

Diesen Gemeindetypen versucht Dever ein biblisches Gegenmodell gegenüber zu stellen:

Das biblische Gemeindemodell und dessen Evangelisationverständnis

  • biblisch
    Evangeliumsvermittlung ohne Anpassung an die Kultur, sondern Abhebung und Unterscheidung (Predigt des Evangeliums)

Schlüsselindikator -> kein sichtbarer Erfolg, sondern Treue:

  1. Auslegungspredigt
  2. Biblische Theologie
  3. Evangelium
  4. Belehrung
  5. Evangelisation
  6. Gemeindemitgliedschaft
  7. Gemeindezucht
  8. Geistliches Wachstum
  9. Biblische Gemeindeleitung

Wenn auch die beiden – eingangs genannten – Kirche konstituierenden Elemente: Predigt und Sakramente formal in allen Kirchen vorhanden sind, fehlen nach Aussage Dever’s  in vielen Gemeinden, egal ob liberal, besucherfreundlich oder traditionell jeweils einige oder sogar alle vorgenannten Eigenschaften.

Wenn es das Ziel der Gemeinde ist, zu wachsen, dann erreicht man das dadurch, dass man es den Leuten gemütlich macht. Und wenn die Menschen dann entdecken, dass es noch andere Wege gibt, auf die man es gemütlich haben kann, dann verlassen sie die Gemeinde, die man dann nicht mehr braucht. Die relevante Kirche sät so den Samen ihrer eigenen Irrelevanz und gibt obendrein noch ihre Identität preis. Heute ist die große Frage die, wie man die geburtenstarken Jahrgänge zurück in die Gemeinden holt und welche Techniken und Methoden hier Wunder wirken werden. Es werden Umfragen darüber gemacht, was die baby boomers wollen, und die Gemeinden wettstreiten miteinander, ihnen genau das zu geben. Carl S. Braaten, „The Gospel for a Neopagan Cultur“

Ein unbedingt lesenswertes Buch, welches grundlegende biblische Prinzipien herausarbeitet, auf Gefahren und Probleme hinweist, dabei jedoch weder den Anspruch erhebt, noch erfüllt, eine umfängliche ekklesiologische Abhandlung zu bieten.

sdg
apologet

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2 Kommentare

  • Beni

    Hm… auf den ersten Blick sieht das so aus, als wolle Dever die schlichte protestantische „Definition“ mit Evangelium und Sakramente sozusagen aushebeln, indem er zur Hintertür dann doch wieder 9 Merkmale einführt. Ich finde es jedenfalls interessant, dass die Sakramente z.B. keines der neun Merkmale sind, dass Dever seine Ekklesiologie offenbar aber dennoch als calvinistisch/reformatorisch versteht. Das Buch liegt bei mir jedenfalls bereit, gelesen zu werden. Das hier sind so die ersten (kritischen) Eindrücke.

  • apologet

    Hi Beni, so verstehe ich Dever keineswegs. Im Gegenteil, er bezieht sich in seiner Einleitung beispielsweise auf die Confessio Augustana und zitiert deren Art. VII. „Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht“, die Loci Communes „Kennzeichen […] sind das reine Evangelium und der rechte Gebrauch der Sakramente“, die 42 Artikel der Church of England „das Wort Gottes rein gelehrt und die Sakramente in allem […] recht verwaltet werden“, die Institutio IV, 1,9 „das Gottes Wort lauter gepredigt […] Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden“ und das Belgische Bekenntnis von 1561, „Die Kennzeichen, durch welche die wahre Kirche sich von der falschen unterscheidet, sind diese: wenn sich die Kirche der reinen Predigt des Evangeliums und der lautern Verwaltung der Sakramente nach der Einsetzung Christi bedient; wenn sie sich der Kirchenzucht recht zur Besserung der Fehler bedient; wenn sie endlich (damit wir alles mit einem Worte zusammenfassen) alles nach der Vorschrift des Wortes Gottes tut und alles, was ihm widerstreitet, verabscheut und Christus für das einzige Haupt anerkennt.

    Er schreibt dann weiter auf Seite 20:

    Dieses Buch behandelt etwas, das diesen grundsätzlichen Merkmalen der Gemeinde untergeordnet ist. Ich akzeptiere die traditionelle protestantische Auffassung von der wahren Gemeinde, die sich von der falschen dadurch unterscheidet und dadurch gekennzeichnet ist, das sie das Wort Gottes in rechter Weise predigt und die Sakramente in rechter Weise gebraucht. Doch in diesem Buch soll es draum gehen, einige Merkmale anzusprechen, durch die sich gesunde Gemeinden von genauso wahren, aber kränklichen Gemeinden abheben. Deshalb soll in diesem Buch gar nicht versucht werden, alles zu sagen, was über Gemeinden zu sagen wäre. Theologisch gesprochen: es ist keine vollständige Ekklesiologie.M. Dever

    Eine ausführlichere Rezension des vergleichbaren, aber kürzeren Buches „Was ist eine gesunde Gemeinde?“ findest Du hier: http://www.eddi-on.de/index.php?s=dever
    sdg
    Andreas