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Evangelikalismus – der theologische Absturz

R. Albert Mohler, Präsident des Southern Baptist Theological Seminar, hat in seinem Aufsatz „Die verdrängte Wahrheit“, erschienen in der aktuellen Factum-Ausgabe, für Evangelikale einige äußerst unbequeme Anfragen formuliert… Der Aufsatz behandelt das Thema des Schöpfungsberichtes, welcher von immer mehr Evangelikalen eben nicht als wahrheitsgetreuer Bericht verstanden wird.

Nachdem der Evangelikalismus lange Zeit eine Bastion der Verteidigung der Irrtumslosigkeit und vollen Inspiration der Schrift gewesen ist, haben bereits seit einiger Zeit Bibelkritik und Liberalismus Einzug gehalten.

Infolge der vier nachstehend genannten Herausforderungen – so R. A. Mohler – ist die einstmals klare Bekenntnisposition zum biblischen Schöpfungsbericht verwässert bzw. von vielen evangelikalen Theologen völlig aufgegeben worden:

  1. geologische Datenlage
  2. Darwins Theorie
  3. vergleichbare Erzählungen (Enuma-Elisch-Mythos, Gilgamesch-Epos)
  4. Pentateuch-Kritik (verschärfte Textkritik: Zweifel an der Authenzität, Genauigkeit und Autorität des Schöpfungsberichtes)

In Persona nennt er im Verlauf des Aufsatzes diverse Vertreter (Prof. William Demski und die Theologen Bruce Waltke und Bernard Ramm) des modernen Evangelikalismus, welche den Schöpfungsbericht aus unterschiedlichen Gründen nicht länger in der klassischen Sicht verstanden wissen wollen, sondern von einer alten Erde und einer evolutionären Entwicklung des Menschen ausgehen.

R. A. Mohler nennt neben der traditionellen Sichtweise der Evangelikalen, drei weitere, heute vertretene Positionen:

  1. die 24-Stunden-Kalender-Tag-Sicht, welcher ein direktes Textverständnis zugrunde liegt und im Einklang mit dem Zeugnis der gesamten Schrift steht.———————————————————————————————————————
  2. die Tag-Zeitalter-Theorie, welche ausgehend von der Annahme, daß die Bedeutung des hebräischen Wortes „yom“ undefinierte bzw. lange Zeiträume zuläßt, davon ausgeht, daß es sich bei den „Tagen“ um Zeitalter handelt.
  3. die Rahmen-Theorie, welche die Länge der Tage völlig außer acht läßt und den Schöpfungsbericht als literarische Rahmenerzählung begreift
  4. der Mythos-Befund, welcher die biblische Erzählung als literarischen Mythos betrachtet

Allein die traditionelle 24-Stunden-Kalender-Tag-Sicht geht von einer jungen Erde und der historischen Existenz Adams und Evas aus. Diese Sichtweise kann  m.E. für sich in Anspruch nehmen völlig im Einklang mit anderen theologischen Lehren der Schrift zu stehen. (Anmerkung: Auch einige Vertreter der Rahmen-Theorie  ziehen weder den Schöpfungsbericht an sich, noch den Sündenfall oder die Sintflut in Zweifel  und stehen für die biblische Irrtumslosigkeit.)

Der biblische Schöpfungsbericht ist mehr als eine Aufzählung von Fakten. Er ist ein zielgerichteter Bericht, warum das Universum von einem höchsten, heiligen und wohlwollenden Gott als Schauplatz seiner Herrlichkeit geschaffen wurde. Diese Zielgerichtetheit offenbart‘ sich nicht nur in der Schöpfung, sondern auch in der Erlösungsgeschichte. Die Schöpfungslehre ist nicht von der Erlösungslehre zu trennen. R. A. Mohler

Bereits in früheren Artikeln habe ich auf die Problematik hingewiesen, das wenn die Historizität Adams und damit des Sündenfalls bestritten wird, der Erlösung am Kreuz durch Christus theologisch der Boden unter den Füßen entzogen wird. Paulus argumentiert die Rechtfertigung durch Christus zentral auf Grundlage des historischen Sündenfalls (Röm5:12).

Nichtsdestotrotz, schreibt R. A. Mohler, argumentieren weitere evangelikale Exegeten und Autoren wie John Scott, Karl Giberson, Peter Enns oder Denis Alexander dahingehend, daß Gott erst im Verlauf der Evolution einen Hominiden bzw. ein „jungsteinzeitliches Farmerpärchen“ ausgewählt und in diese sein Bildnis implantiert habe. Leider scheint dem auch ein so renommierter Theologe wie J. I. Packer zuzustimmen.

Die logische bzw. genuin theologische Problematik, das alle anderen Hominiden demzufolge nicht nach dem Bild Gottes geschaffen waren, Tod und Sünde im Widerspruch zu diversen Aussagen der Schrift bereits vor dem „Sündenfall“ (was auch immer das dann war) vorhanden war, wird vor dem Hintergrund vermeintlicher Wissenschaftlichkeit, ausgeblendet.

Es kommt zum theologischen Absturz, wenn das „Buch der Natur“ (die allgemeine Offenbarung) benutzt wird, um Gottes besondere Offenbarung zu übertrumpfen. R. A. Mohler

Und das geschieht, wenn man die – letztlich doch nur temporäreren – Erkenntnisse der Wissenschaft über das Wort Gottes stellt.

sdg
apologet

Quelle: Factum.ch

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20 Kommentare

  • Andreas

    Traurig aber wahr: es scheint nicht nur Evangelikale, sondern auch Reformierte zu geben, die die biblische Sicht der 24-Stunden-Tage im Schöpfungsbericht ablehnen, wie mir Sebastian Heck neulich erzählte. Sie gehen wohl noch nicht so weit die Historizität Adams und Evas zu leugnen, aber vielleicht ist das nur eine Frage der Zeit. Sebastian sprach dann auch von dieser Rahmen-Theorie, von der ich zuvor noch nichts hörte, und lehnte sie ab.
    Aber was ist eine „literarische Literaturerzählung“?

    Gruß,
    Andreas

  • apologet

    Hallo Andreas, danke für die Nachfrage… es muß natürlich „literarische Rahmenerzählung“ heißen… 😉

    R.A. Mohler schreibt zur Rahmen-Theorie:
    Bei dieser überspringt der Leser die Frage nach der Länge der Tage und kommt zum Schluß, daß der Genesis-Bericht nur eine literarische Rahmenerzählung ist, eine Form, die Geschichte über den göttlichen Schöpfungsakt zu vermitteln.Diese Sicht geht von langen Zeitaltern aus und sieht es nicht als nötig an, die Schöpfungs-Ereignisse in einer bestimmten Reihenfolge zu ordnen. Sie ist allerdings im Licht der biblischen Texte, in denen Gott erstaunliche historische Details und göttliche Ordnungen offenbart, nicht haltbar.

    Die „Reformierten„, welche die traditionelle Sicht ablehnen, gehören die dann eher dem „New Calvinism Movement„, dem liberalen Flügen oder vermeintlich der konservativen Richtung an?
    LG
    Andreas

  • Andreas

    Ah, Danke!
    Wir haben das nicht vertieft, welchem „Lager“ sie angehören, es war eher Randthema eines Gesprächs.

    Herzliche Grüße,
    Andreas

  • Johannes G.

    Hallo Andreas,

    das für die diversen abweichende Schöpfungssichten explizit der „Evangelikalismus“ als gruppierender Negativbegriff herhalten muss, finde ich schade. Mein Empfinden ist, dass du dazu neigst, theologischen Positionen, die deinem Standpunkt widersprechen, tendenziell mit diesem Begriff zu belegen. Diesen Begriff halte ich jedoch inzwischen für so vieldeutig, dass ich ihn schlicht für sinnlos halte um, irgendwelche Kategorien zu bilden. Man drückt damit dann auch Menschen Positionen auf, die sie überhaupt nicht teilen. Persönlich nehme ich daher komplett von dessen Verwendung Abstand.

    Zum Bericht selber möchte ich noch anmerken, dass der Ursprung dieses „theologischen Absturzes“ bereits deutlich älter ist, als überhaupt die Existenz der genannten Faktoren. Schon lange vor Darwin hat sich bereits Augustinus Gedanken zum Verständnis des Schöpfungsberichtes gemacht und unterschiedliche Deutungen in Betracht gezogen. Er hat damals schon darauf hingewiesen, dass wir in dieser Angelegenheit nicht dogmatisch und neuen Erkenntnissen gegenüber, die dazu Informationen liefern können, aufgeschlossen sein sollten. Eine sehr „moderne“ Position hierzu hat übrigens auch Origenes vertreten.

    Ich halte daher diese Lagerbildung der Christen in diesem Punkt nicht nur für schädlich, sondern die theologische Abwertung aller Vertreter einer Sichtweise, die nicht dem Literalsinn entspricht, für unangebracht. Zumindest so lange wie diese Vertreter an der historischen Existenz des Sündenfalls festhalten. Das Argument, dass diese „neuen“ Sichtweisen allein dem Zeitgeist oder der aktuellen wissenschaftlichen Forschung geschuldet sind, ignoriert schlicht die oben genannten historischen Fakten.

    Schöne Grüße
    Jo

    • apologet

      Hallo Johannes,
      das insbesondere in der evangelischen, aber auch katholischen Theologie seit langer Zeit abweichende Ansichten zur Entstehung des Universums respektive des Lebens existieren, ist für meinen persönlichen Standpunkt beispielsweise relativ unerheblich. Erstens habe ich eine evangelikale Herkunft, zweitens hat der Evangelikalismus noch vor nicht allzu langer Zeit für sich in Anspruch genommen „bibeltreu“ zu sein. Dies hat man speziell auch an der Frage der traditionellen 24-Stunden-Kalender-Tag-Sicht (um bei dem Begriff Mohlers zu bleiben) fest gemacht. Daher nehme ich den Evangelikalismus stärker in Augenschein. Du hast natürlich insofern recht, als das der Begriff „evangelikal“ heute stark abgenutzt ist.

      Der Artikel Mohlers behandelt zudem eben den theologischen Absturz des Evangelikalimus, nicht den der christlichen Theologie allgemein. Ebenso wenig versucht Mohler m.E den jeweiligen Urspung der verschiedenen Deutungen zu ergründen, sondern aufzuzeigen, aus welchen Motiven „die Evangelikalen“ zu ihren Deutungen gelangen. Die Bibel scheint einigen schlicht etwas peinlich…

      Ich dagegen halte feste Überzeugungen für absolut notwendig, theologische Pluralität für schädlich und unangebracht. Mein Artikel ist zudem nur ein kurzer Extrakt des Mohler-Artikels. In diesem macht er gerade deutlich, dass historische Schöpfungslehre und Erlösungslehre untrennbar voneinander sind und bringt diverse Beispiele evangelikaler Theologen und Autoren, welche den historischen Sündenfall eben als literarisch, oder gar als Mythos ansehen.

      Interessieren würde mich nun erstens, ob Du den Artikel Mohler kennst und zweitens, von welchen historischen Fakten Du im letzten Absatz sprichst.
      LG
      Andreas
      PS: Kennen wir uns von Jesus.de?

  • Johannes G.

    Hallo Andreas,

    wir hatten auf jesus.de einmal eine Diskussion über die Natur der Taufe. Hast du mich am Schreibstil oder am Namen identifiziert? 😉

    Den Artikel von Herrn Mohler kenne ich nicht. Ich habe mich etwas missverständlich ausgedrückt und mich daher nur auf deine Angaben bezogen. Mir war lediglich daran gelegen darauf hinzuweisen, dass die literarische Einordnung des Genesisberichts bereits seit Anbeginn der Kirchengeschichte uneinheitlich war und nicht ausschließlich ein Phänomen der Neuzeit ist. Dies ist das historische Faktum, welches ich gemeint habe. Soweit ich weiß, war die Frage diesbezüglich bis zu Darwin auch Großteils eher nebensächlich. Ich gehe jedoch auch davon aus, dass die Mehrheit den Bericht als direkte historische Begebenheit aufgefasst hat. Die Mehrheitsmeinung muss jedoch nicht grundsätzlich im Recht sein.

    Literaturwissenschaftler, Theologen, Biologen und Geologen untersuchen diesen Bereich schon seit Jahrzehnten und kommen zu unterschiedlichen Urteilen. Ich persönlich sehe mich nicht in der Lage hier ein qualifiziertes Urteil abzugeben und halte mich daher mit definitiven Aussagen zurück. Mir fällt es selbst schwer den Text richtig einzuordnen und ich sehe, dass Christen, die sich dem Wort Gottes verpflichtet sehen und ernsthaft nach der Wahrheit fragen, zu unterschiedlichen Ansichten kommen.

    Das von dir angegebene abschließende Zitat von Mohler finde ich daher aus folgenden Gründen problematisch: Es setzt voraus, dass der Schöpfungsbericht als exakte Naturkunde verstanden werden MUSS. Ich möchte Mohler wirklich nichts unterstellen, aber mir scheint hier wird ein Strohmann konzipiert, um die andere Sichtweise ins theologische Abseits zu drängen. Viele Christen, die hier anderer Ansicht sind, würden sicher nicht dem Vorwurf Mohlers zustimmen, dass sie wissenschaftliche Erfahrungen über das Wort Gottes stellen. Ich meine die Mehrheit dieser Gruppe ist der Ansicht, dass uns die Erforschung der Natur Detailwissen zu diesem Vorgang liefern kann und der Schöpfungsbericht gerade nicht als statischer Naturkundebericht verstanden werden möchte. Ohne den Zusammenhang zu kennen halte ich das Statement von Mohler in dieser Form daher für einen Missgriff.

    Ich meine es ist angebracht, egal welche Position man nun vertritt, einzuräumen, dass die allgemeine naturwissenschaftliche Faktenlage klar gegen eine „junge“ Erde spricht. Das kann sich natürlich theoretisch ändern, aber über die letzten Jahrzehnte hinweg scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Ich für meinen Teil kann diese Tatsachen nicht einfach vom Tisch wischen und gar auf eine atheistische Weltverschwörung zurückführen. Meine Position ist daher, dass ich offen eingestehe, dass der aktuelle Kenntnisstand klar gegen eine Auffassung der Genesis im Literalsinn spricht. Gleichzeitig weise ich jedoch zum einen auch darauf hin, dass in der Wissenschaft grundsätzlich nie das letzte Wort gesprochen ist und andererseits der Text auch nicht zwingend als Naturkundebericht angesehen werden muss. Für indiskutabel halte ich hingegen, wie von dir ebenfalls angemerkt, die Frage nach der Begebenheit und Deutung des Sündenfalls. Ein Negativbeispiel diesbezüglich wäre für mich z.B. die Sichtweise von Herrn Werner Tiki Küstenmacher.

    Feste Überzeugungen sind sicher wichtig. Das ist keine Frage. Die spannende Frage ist jedoch, in welchen Bereichen sie sich auch ändern können und sollen. Sich grundsätzlich vom wissenschaftlichen (oder auch theologischen) Umfeld abzukapseln halte ich für falsch. Ich meine Glaube und Vernunft sind keine autonomen Bereiche, die getrennt voneinander operieren. Ich halte es daher für legitim auch bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen bisherige Auffassungen in Frage zu stellen (was, wie bereits erwähnt, streng genommen auf den Genesisbericht gar nicht zutrifft) und zu überprüfen, ob man hier bisher vielleicht nicht falsch gelegen sein könnte. Das hat meiner Ansicht nach nichts mit einer Bevorzugung der Wissenschaft vor der Schrift, sondern mit unserer Pflicht zur Aufrichtigkeit und zur Wahrheit zu tun. Ich für meinen Teil möchte jedenfalls anderen Christen wie J.I. Packer, Tim Keller, C.S. Lewis oder Francis Collins nicht einfach eine defizitäre Theologie oder gar eine Abkehr von der Autorität der Schrift vorwerfen, weil sie z.T. allegorische Auslegungen der Genesis in Betracht ziehen. Ich persönliche kann ihre Einschätzungen jedenfalls oft sehr gut nachvollziehen.

    Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich davon überzeugt bin, dass wir alle in bestimmten Punkten eine defizitäre Theologie haben und das eint uns in gewisser Weise. Mein Anliegen ist, dass wir innerchristliche Dispute nicht unnötig nach außen tragen, sondern demütig, aber klar und bestimmt, gemeinsam um das richtige Verständnis ringen.

    Schöne Grüße
    Jo

  • Jochen

    Hallo zusammen,

    auch ich bin recht erfreut über den Artikel Mohlers – aber ich glaube man muss eindeutig differenzieren…

    Es gibt erstens mittlerweile zahlreiche ursprünglich konservative Theologen wie Burce Waltke und Peter Enns, die die Historizität des Schöpfungsberichtes (und vieles darüber hinaus) in Zweifel ziehen. Hierbei versucht man der Evolutionstheorie einen christlichen Anstrich zu verpassen (ich verkürze stark). Das sind die Personen gegen die sich Mohler in seinem Artikel hauptsächlich wendet.

    Zweitens gibt es Anhänger der Rahmentheorie oder verwandter „Old-Earth“-Theorien, die weder den Schöpfungsbericht an sich, noch den Sündenfall noch die Sintflut in Zweifel ziehen und sich teilweise vehement für die biblische Irrtumslosigkeit einsetzen. Prominente Vertreter sind die AT-ler Meridith Kline oder John Sailhamer deren Positionen auch von Leuten wie John Piper, Tim Keller oder Michael Horton geteilt werden.
    Ich würde diese Positionen jedoch von der oberen (klar bibelkritischen) Position unterschieden und sie nicht a priori als bibelkritisch oder liberal bezeichnen, sehe aber wie Andreas die Gefahr, dass das Ganze abrutscht.

    Gruß,
    Jochen

  • apologet

    Hallo Jochen, vielen Dank für Deine Ergänzung bzw. Korrektur! S.H. wies mich ebenfalls darauf hin, das man die Rahmen-Theorie etwas differenzierter betrachten muss.

    Insofern revidiere ich das etwas vorschnelle Urteil, ausschließlich die 24-Stunden-Kalender-Tage-Sicht stünde im Einklang mit der Schrift.

    Wenngleich dies meine persönliche Sichtweise ist.
    LG
    Andreas

  • Anna

    Hallo zusammen,
    ich komme nicht ganz mit.
    Wo seht ihr denn den Unterschied zwischen der einen (nicht bibelkritischen Position, aber gegen 6 Tage) und der anderen Position (bibelkritischen Position …)? Also ich bin auch für Differenzierung, wenn es um Menschen und ihre Absichten geht …

    Aber jetzt mal die Position betrachtet:
    Ist der Unterschied das Ergebnis? Also Leugnung des Sündenfallberichts, Leugnung des Todes als der Sünde Sold … in dem einen Fall?

    Ich sehe keinen Unterschied in der Methodik. Es ist eine außerbiblische Quelle, die die Probleme verursacht hier wie da. Es wird immer so genannte wissenschaftliche Ergebnisse geben, auf die wir keine Antwort haben, die den betreffenden Wissenschaftler zufrieden stellt. Die Frage ist doch dann eine Autoritätsfrage – oder nicht? Wer hat mehr Autorität? Ein allwissender Gott oder eine Wissenschaft, die sich primär dadurch auszeichnet, eben ohne Gott erkennen zu wollen?

    Eine „nicht – bibelkritische“ Position zeichnet sich doch dadurch aus, dass sie versucht Gottes Offenbarung zu verstehen – aber das Ganze mit Gottes Offenbarung allein bewerkstelligen möchte. Mit anderen Worten – nur die Bibel legt die Bibel aus … Wenn sich die Bedenken auf eine außerbiblische Quelle allein stützen, dann kann doch von einer „nicht – bibelkritischen“ Position keine Rede sein. Hier wurzelt doch der Absturz.

    Sehe ich hier was verkehrt oder zu einfach????

    Anna

  • Johannes G.

    Hallo Anna,

    da sich bisher niemand gemeldet hat, starte ich einen kurzen Antwortversuch aus meiner Perspektive.

    Der Unterschied liegt in der Frage nach der Textgattung bzw. der Hermeneutik. Der Punkt ist, dass das Problem hier nicht primär eine außerbiblische Quelle, sondern die grundsätzliche Frage nach dem Selbstverständnis des Textes und der Auslegung ist. Ich will sicher nicht leugnen, dass bei der Einordnung des Textes für viele Christen auch (natur)wissenschaftliche Faktoren eine Rolle spielen. Und das halte ich grundsätzlich auch nicht für falsch. Wie ich aber in meinen vorherigen Beiträgen versucht habe aufzuzeigen, reichen die abweichenden Ansichten in der Kirchengeschichte bei der Bestimmung der Textgattung weit vor die entsprechenden beeinflussenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zurück. Es ist daher meiner Ansicht nach unzulässig, andere Sichtweisen allein auf die Beeinflussung durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu reduzieren und pauschal als bibelkritisch zu bezeichnen.

    Ich meine es ist keine „bibelkritische“ Position, wenn man aus guten Gründen zu der Annahme kommt, dass der Schöpfungsbericht kein Naturkundebericht sein möchte und ihn dann entsprechend auslegt. Es mag sein, dass diese Sichtweise falsch ist, aber sie ist insofern nicht „kritisch“, als dass sie nicht die Zuverlässigkeit des Textes an sich in Frage stellt. Natürlich muss eine solche Auslegung auch z.B. dem zentralen geschichtlichen Ereignis des Falles und dessen Folgen gerecht werden. Dies ist sicherlich nicht unproblematisch.

    Das bei einer solchen Einordnung auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse eine Rolle spielen können ist für mich jedoch auch noch keine Bibelkritik. Zumindest nicht, solange diese Dinge nicht als bestimmende Faktoren angesehen werden, sondern ev. als hilfreiches sekundäres Entscheidungskriterium.

    Das Problem ist ja, dass nicht die Bibel die Bibel auslegt, sondern dass Menschen die Bibel auslegen. Um die Bibel zu verstehen und auszulegen, müssen wir aber von der Vernunft Gebrauch machen. SIe ist zudem die Basis für jeden sinnvollen Austausch. Gerade diese Basis, welche z.B. u.a. die Grundsätze der Logik enthält, ermöglicht es uns erst, über die rechte Auslegung zu diskutieren und uns gegenseitig auch zu korrigieren.

    Wenn wir jetzt jedoch hergehen und unsere Vernunft für zuverlässig erklären wenn wir die Schrift auslegen, jedoch für unzuverlässig, wenn wir Wissenschaft betreiben, dann ist das inkonsequent. Der entscheidende Punkt ist, dass wir in beiden Bereichen fehlbar sind und uns irren können. D.h. was für unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse gilt, gilt ebenso auch für unsere Urteile über Textgattungen bzw. die Auslegung der Schrift.

    Ich stimme dir darin zu, dass eine bibelkritische Position u.a. dadurch gekennzeichnet ist, dass sie außerbiblische Erkenntnisquellen als alleinigen oder dominierenden Maßstab zur Auslegung erklärt. Ich halte es aber grundsätzlich noch nicht für „bibelkritisch“, wenn wir unterschiedliche Faktoren in Betracht ziehen, um die Textgattung eines Bibeltextes ev. besser einordnen zu können, wenn über dessen Beurteilung insgesamt Uneinigkeit herrscht.

    Schöne Grüße
    Jo

  • Anna

    Hallo Johannes,

    ich denke, dass die Frage nach der Textgattung eine Position nicht pauschal zu einer „bibelkritischen“ macht.
    Es ist die Art und Weise wie man darauf antwortet – oder die Antwort auf die Frage: Wie bekomme ich es nun heraus?

    Die Begründung, dass in der Kirchengeschichte verschiedene Ansichten auftauchen – ist auch wieder eine Begründung, die auf außerbiblischen Quellen fußt, vor allem wenn man davon ausgeht, dass Menschen irren können …
    Diese „guten Gründe“ für die Annahme, dass es sich nicht um einen naturkundlichen Bericht – oder ich könnte auch sagen, dass es sich hier nicht um einen historischen Bericht – handelt, müssen ja irgendwoher bezogen werden.
    Dazu müssen gar keine hohen naturwissenschaftlichen Ausführungen vorliegen. Da reicht es schon sich die Erschaffung der Tiere und des Menschen anzuschauen und mit der heutigen Beobachtung der Natur zu vergleichen, um in Schwierigkeiten zu kommen. Diese Schwierigkeiten fußen dann aber ebenso auf einer außerbiblischen Quelle – in dem Fall auf meiner Beobachtung und meinem Verstand, meinem Vorstellungsvermögen … Letztlich bin ich es, die entscheidet, welche Textgattung möglich sein kann und welche nicht. Damit habe ich den Boden der Bibelkritik betreten.

    Ich denke, dass man den Sündenfall als zentrales geschichtliches Ereignis dann eigentlich nicht mehr plausibel machen kann. Denn die Argumentation, warum der Schöpfungsbericht in bestimmter Weise eine andere Textgattung ist mit den entsprechenden Schlussfolgerungen – lässt sich mühelos auf den Sündenfall übertragen und wäre dann auch so schlüssiger.

    Wenn wir in Gottes Wort keine guten Gründe finden eine andere Textgattung anzunehmen, dann besteht kein wirklicher Grund eine andere zu favorisieren.
    Wenn die Annahme einer anderen Textgattung eigentlich nur zu immer mehr Problemen mit Gottes Wort selber führt, dann ist es auch unvernünftig dabei zu bleiben.

    Ich denke, dass ich mit der anderen Textgattung zwar weniger mit der heutigen so genannten Wissenschaft kollidiere – aber ich werde dafür immer zunehmender mit Gottes Wort kollidieren, wenn ich konsequent weitermache. Das bricht mir letztlich das Genick.

    Bei all dem gefällt mir aber das Vorwort der Chicagoerklärung (1978), mit dem ich abschließen möchte:
    Zitat: „…Wir anerkennen erfreut, dass viele, die die Irrtumslosigkeit der Schrift verwerfen, die Konsequenzen dieser Verwerfung in ihrem übrigen Glauben und Leben nicht entfalten, und wir sind uns bewusst, dass wir, die wir uns zu dieser Lehre bekennen, sie in unserem Leben oft verwerfen, indem wir darin versagen, unsere Gedanken und Taten, unsere Traditionen und Gewohnheiten in wahre Unterordnung unter das Wort Gottes zu bringen….“

    Schönen Gruß Anna

  • christozentrisch

    Ich finde sehr bedauerlich, dass viele hier (die ich auch persönlich kenne) unbedingt Irrtumslosigkeit der Bibel mit wortwörtlicher Hermeneutik verknüpfen wollen und sehr fragwürdige Schlußfolgerungen ziehen. Ich werde vielleicht schockieren, aber ich behaupte, dass eine naive Lektüre des Schöpfungsberichts in keinster Weise textgerecht ist. Die Historizität des Sündenfalls wird auch nicht am besten durch die 24-Stunden-Tag-Sicht verteidigt.
    Übrigens Anna, ich kenne mindestens einen Verfasser der Chicagoerklärung (und dies persönlich), der die theistische Evolution befürwortet.
    Als reformierter (und nicht evangelikaler) Christ distanziere ich mich auch von vielen anderen „fundamentalistischen“ Äußerungen des Albert Mohler.
    Interessanterweise lassen die „alten“ ref. Bekenntnisse die Frage relativ offen und bieten nur minimale Formulierungen an.
    Bibeltreue heißt nicht unbedingt Fundamentalismus.
    JL

  • Anna

    Verstehe ich nicht – wieso soll man den Schöpfungsbericht anders verstehen?

    Welche Schriftgründe gibt es?

    Anna

  • christozentrisch

    Viele! Ich nenne hier nur ein Beispiel:

    In 1 Mose 2,4-6 lesen wir:
    Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden, zu der Zeit, als Gott der Herr Erde und Himmel machte. Es war aber noch kein Strauch des Feldes gewachsen auf der Erde, noch irgend ein Kraut auf dem Feld; denn Gott der Herr hatte es noch nicht regnen lassen auf der Erde, und es war kein Mensch da, um das Land zu bebauen. Aber ein Dunst (‚ed könnte auch unterirdisches Wasser bedeuten aber egal) stieg beständig von der Erde auf und bewässerte die ganze Fläche des Erdbodens. (Schlachter 2000)

    Alles deutet darauf hin, dass die Flora durch natürliche Prozesse entstanden ist (durch die Vorsehung Gottes also – siehe Heidelberger Katechismus Frage 27) und nicht durch einen übernatürlichen Eingriff Gottes. Es folgt daraus, dass Bäume nicht innerhalb von 24 Stunden wachsen konnten: Befeuchtung, Keimung, Wachstum benötigen Zeit.
    Da die Bibel keine Widersprüche enthält, kann der 3.Tag von 1 Mose 1,9-13 nicht wortwörtlich verstanden werden.
    Möchtest du noch andere Argumente dieser Art?

    Ich bin der Auffassung, dass die Rahmen-Theorie den Schöpfungsbericht am besten erklären kann.
    Ich empfehle dazu einen Artikel von Meredith Kline: Because it had not rained. http://www.asa3.org/ASA/resources/WTJ/WTJ58Kline.html

    Gruß, Jean-Louis

  • Anna

    Danke, ich denke das reicht.
    Frage 27 des HK habe ich in der Tat noch nie so gelesen.

    Gruß Anna

  • christozentrisch

    Ich wollte meine Aussage über R. A. Mohler klarstellen, obwohl es nicht direkt mit unserem Thema zu tun hat.
    Mohler verdient viel Anerkennung für viele seiner klaren theol. Positionen. Ich finde dennoch einige verbale Entgleisungen von ihm unmöglich. Er geht zu weit, wenn er Langzeitkreationisten sowie BioLogos-Vertreter abschmettert oder behauptet, dass Unverheiratet sein eine „moralische Rebellion“ gegen Gott sei (was sagt Paulus in 1 Kor 7,8?), wenn er Alkoholabstinenz verlangt oder Zwang und Tortur befürwortet.
    JL

  • Jochen

    Hallo Jean-Louis,

    mich würde interessieren welcher Verfasser der Chicago-Erklärung für die theistische Evolution plädiert.

    Gruß,
    Jochen

  • christozentrisch

    Hallo Jochen,
    der Fall von Bruce Watke, ehemaliger Lehrbeauftragter am einem reformierten theologischen Seminar, der Sympathie für BioLogos geäußert hat und anschließend vom Dienst suspendiert wurde, sollte zur Vorsicht mahnen. Ich kann nur sagen, dass Mitverfasser der Chicago-Erklärung wie Gleason Archer, Henri Blocher, James Montgomery Boice, Norman Geisler, Gordon Lewis und vielleicht andere den Kurzzeitkreationismus nicht befürworten bzw. nicht befürwortet haben.
    Gruß,
    JL

  • Lüscher Elisabeth

    Solche Diskussionen machen mich so langsam müde. Weshalb streitet man immer wieder über dasselbe Thema und kommt nie damit zu Ende. Es gibt eine einfache Auslegung: Der Schöpfungsbericht ist eine Hymne oder ein Gedicht. Ein Anbetung Gottes. Dies zeigen die Wiederholungen: Gott sprach, Gott schuf,es geschah usw. Ich finde es wunderschön, dass dies“ im Anfang“ steht. Was Adam und Eva betrifft, liegt hier eine tiefe Problematik des Menschen drin. Ich sehe es als ein Gleichnis an, dessen Tiefe einem immer wieder offenbar wird wenn man ihm nach geht. Mann und Männin, oder Mensch und Menschin. Eine Tragik die sich immer wieder abspielt in verschiedene Varianten. Propheten und Jesus brauchten immer wieder Gleichnisse, um uns Menschen eine biblische Botschaft klar zu machen.Weshalb soll der Gott der Bibel nicht schon am Anfang auf diese Weise zu uns sprechen?