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Prüft alles!

Idea berichtet aktuell über eine „Prophetie“ des Heinrich Matthias Rust, Pastor der Baptistengemeinde (BEFG) in Braunschweig, nach welcher es in Deutschland demnächst bürgerkriegsähnliche und anarchistische Zustände geben soll. Wörtlich redet er im Namen Gottes folgendes:

„Es wird eine Zeit kommen, da werden auf Deutschlands Straßen und Plätzen Tausende Menschen kämpfen und demonstrieren … Menschen werden sich weigern, demokratische Parteien zu akzeptieren. Parteien und Regierungen sind sich einig, werden aber kaum noch Einfluss haben … Auch in anderen europäischen Ländern wird es ähnliche Entwicklungen geben. Man wird von der ‚Unregierbarkeit des neuen Europa’ sprechen.“

Drei Fragen stellen sich hier spontan:

1. existiert nachapostolische Prophetie?
2. beschäftigt sich Prophetie mit nationaler Politik?
3. wie geht man mit Prophetie um?

Existiert nachapostolische Prophetie?
Diese Frage ist grundsätzlicher, hermeneutischer Natur und wird zumeist wohl entweder kategorisch mit „ja“ oder „nein“ beantwortet. Wer Prophetie bzw. fortgesetzte Offenbarungen nach der Zeit der Apostel und Propheten theologisch ausschließt, wird jede moderne „Prophetie“, jeden „prophetischen Eindruck“ oder wie auch immer Neuoffenbarungen bezeichnet werden, als falsches Reden im Namen Gottes beurteilen. Jede echte – Gottes Offenbarung vermittelnde – Prophetie weist dieser Sichtweise folgend auf das Kommen bzw. den Erlöser selbst hin. Da nun Christus bereits gekommen ist, von dem die Propheten immer gezeugt haben, wo gäbe es noch einen Grund für mehr bzw. neue “Offenbarungen” respektive “Prophetie”? Dies wird in Hebräer 1,1ff gesagt. In diesem Fall fiele die Einordnung der „Prophetie“ und des Braunschweiger Pastoren leicht. Anders sähe es aus, wenn man nachapostolische Prophetie für denkbar hält. In diesem Fall müsste genauer auf den Inhalt als solches geschaut werden.

Beschäftigt sich Prophetie mit nationaler Politik?
Eine solche Frage läßt sich in einem kurzen Artikel sicher nicht für jeden befriedigend beantworten. Ist es so, dass Prophetie grundsätzlich einen Bezug zu Gemeinde und Christus haben muss, oder kann Prophetie auch ausschließlich profane bzw. politische Informationen- ohne Bezug zu Gemeinde und Christus- zum Inhalt haben? Ich bin davon überzeugt das echte Prophetie Christus bzw. das Volk Gottes zum Inhalt bzw. im Blick hat. Viele Christen verstehen unter Prophetie jedoch offensichtlich allgemein eine Art von “Präkognikation” bzw. Wahrsagerei oder Zukunftsvorhersage. Läßt sich nun mit Bestimmtheit sagen, welchen Inhalt biblische Prophetie hat?

Das für uns ausschlaggebende Neue Testament, bezeugt- beispielsweise in1Petr1:10ff- dass stets Christus Inhalt wahrer prophetischer Rede ist. Auftrag der Propheten- sowohl des AT wie NT- war demnach, Offenbarungen Gottes mit christologisch, soteriologisch und ekklesiologischem Inhalt zu kommunizieren, den Menschen das- letztlich größte Geheimnis des Universums, das Zeugnis über das Kommen des Erlösers, Gott in Person mitzuteilen (Offb19:10). Kein anderer Zweck, weder persönliche Situationen, Staats- oder Regierungsangelegenheiten, noch andere Informationen stehen im Mittelpunkt von Prophetie.

Christus selbst sagt, das Mose, die Propheten, die Psalmen immer auf Ihn hingewiesen (Lk 24,27ff) haben. Prophetie und Offenbarung sind dabei nicht identisch. Prophetie ist die konkrete, äußere Rede von bzw. für Gott. Auch wenn heute aus der Heiligen Schrift vorgelesen oder zitiert wird, ist das nichts anderes als wahrhaft prophetische Rede, jedoch eben keine aktuelle, oder neue Offenbarung. Offenbarung ist der geistgewirkte (theopneustos) Vorgang, bei dem der jeweilige Prophet oder Apostel das Geheimnis (was Christus betrifft) von Gott enthüllt bekam. Prophetie “lediglich” der darauf folgende, äussere Vorgang, die Rede, das niedergeschriebene Dokument, die prophetische Schrift.

1Petr1:10-12 Wegen dieser Errettung haben die Propheten gesucht und nachgeforscht, die von der euch zuteil gewordenen Gnade geweissagt haben. Sie haben nachgeforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist des Christus in ihnen hindeutete, der die für Christus bestimmten Leiden und die darauf folgenden Herrlichkeiten zuvor bezeugte. Ihnen wurde geoffenbart, daß sie nicht sich selbst, sondern uns dienten mit dem, was euch nunmehr kundgetan worden ist durch diejenigen, welche euch das Evangelium verkündigt haben im Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt wurde– Dinge, in welche auch die Engel hineinzuschauen begehren. Schlachter 1951

Petrus sagt: erstens, daß das prophetische Reden der at’lichen Propheten in erster Linie nicht ihnen selbst, nicht einmal den damaligen Gläubigen galt, sondern primär den Gläubigen nach dem offenbar gewordenen Sohn Gottes. Paulus schreibt Ähnliches in 2Kor3:15, wenn er sagt, daß das Volk Israel die Propheten bis zum Erscheinen Christi überhaupt nicht wirklich verstanden hat bzw. verstehen konnte, eine “Decke” auf ihrem Herzen gewesen ist. Damit ist zweitens gesagt, das auch wenn den Propheten über den primären Auftrag hinaus Dinge, egal ob sie selbst, andere Personen oder Gruppen offenbart wurde, dies unwesentlich, ein sekundärer Aspekt gewesen ist. Drittens wird deutlich, dass wenn bereits für die vorausgegangen Propheten der eigentliche Auftrag stets war, auf Christus und sein Heilswerk hinzuweisen, dies weder zur apostolischen noch nachapostolischen Zeit anders sein kann.

Wie geht man mit Prophetie um?
Die dritte Frage beschäftigt sich ganz allgemein mit den Umgang mit Prophetie/prophetischer Rede bzw. deren Prüfung. Im Alten Testament ist die Echtheit von Prophetie u.a. an das Eintreffen dessen was gesagt wurde gekoppelt.

Deu18:20-22 Wenn aber ein Prophet vermessen ist, in meinem Namen zu reden, was ich ihm nicht zu reden geboten habe, und im Namen anderer Götter redet, so soll dieser Prophet sterben! Wenn du aber in deinem Herzen sagen würdest: Wie können wir merken, welches Wort der Herr nicht geredet hat? [dann wisse:] Wenn der Prophet im Namen des Herrn redet, und es wird nichts daraus und trifft nicht ein, so ist es ein Wort, das der Herr nicht geredet hat; der Prophet hat aus Vermessenheit geredet, darum erschrick nicht vor ihm! Schlachter 1951

Allein dieses Prüfkriterium deckt die meisten der nachapostolischen Prophetien als falsch auf. Nun haben es viele modernen Prophetien jedoch an sich, so wage bzw. allgemein zu bleiben, dass verschiedene Entwicklungen im Nachhinein als Erfüllung interpretiert werden können. Das bloße Eintreffen einer Prophetie ist daher nicht das einzige Kriterium. In Deu13:1ff wird ein weiteres Kriterium angeführt: Echte Propheten weisen auf Gott hin. Im Neuen Testament ermahnt Paulus die Thessalonicher Prophetie nicht zu verachten, ordnet jedoch gleichzeitig an, alles genau zu prüfen, und nur das Gute zu behalten.

1Th 5:19-22 Den Geist dämpft nicht! Die Weissagung verachtet nicht! Prüft alles, das Gute behaltet! Enthaltet euch des Bösen in jeglicher Gestalt! Schlachter 1951

Prüfung ist demnach nicht nur berechtigt, sondern notwendig, wenn der Anspruch erhoben wird im Namen Gottes zu sprechen, Offenbarung aus der Gegenwart Gottes erhalten zu haben! Wichtig ist hier das kleine Wort „alles„. Ohne Zweifel bezieht sich dies insbesondere auf den Inhalt, da Prophetie immer mit dem Glauben übereinstimmen muss (Röm12:6ff), ebenso jedoch auf den Propheten, da sowohl Christus, wie auch die Apostel das Auftreten falscher Propheten angekündigt haben.

Dr. Jochen Klautke schreibt über den Umfang der Prüfung folgendes:

Ohne Zweifel geht es  ging es zum einen darum, dass das von ihnen Verkündete beurteilt wird. Gemäß Röm. 12,7 soll Prophetie „nach Analogie des Glaubens“ erfolgen. Damit wird die Prophetie an den der christlichen Lehre entsprechenden Glauben gebunden. Das Prüfen bestand nicht darin, abzuwägen oder zu sortieren zwischen dem, was ein als Prophet Auftretender an Richtigem und was er an Falschem verkündet. Auch sollte das Prüfen keineswegs in der vorausgesetzten Annahme erfolgen, ein wahrer Prophet könne gelegentlich auch einmal etwas Falsches sagen, so dass es Aufgabe der Prüfenden sei, herauszufiltern, was an dem von ihm Dargebotenen akzeptabel ist und was nicht. Im Gegenteil: Das Prüfen hatte unter der Voraussetzung zu erfolgen, dass ein nicht von Gott legitimierter Prophet das Potential hat, durchaus verbal Richtiges zu sagen (vergleiche dazu: Apg. 16,16; Joh. 11,50-51; Tit. 1,12-13). Folglich hatte das Prüfen die Aufgabe, über das hinaus, was der als Prophet Auftretende bekundete, den „Geist“ zu prüfen (1Kor. 12,10). Dass es beim Prüfen (auch) um die „Geister“ geht, also um das Untersuchen der Herkunft, der Quelle des als Prophetie Dargebotenen, wird auch sonst im Neuen Testament befohlen: „Prüft die Geister“ (1Joh. 4,1-3). Das heißt: Untersucht, ob die Prophetie göttlichen oder antichristlichen Ursprungs ist.

Prüft man die hier behandelte Prophetie, ist m.E. nur eine Beurteilung möglich: Bei den Äußerungen von Heinrich Matthias Rust handelt es sich nicht um das Reden Gottes, sondern um das vermessene Reden eines Menschen. Läßt man- den m.E. zutreffenden Umstand- beiseite, dass nachapostolische Prophetie bzw. Offenbarung nicht existiert, besitzt das Gesagte keinerlei geistliche Relevanz für die Gemeinde, weist nicht auf Christus hin. Hier geht es weder um Christus noch die Gemeinde, sondern um die profanen Belange dieser Welt. Es besteht keine Notwendigkeit für diese Information, alles bloße Effekthascherei und Selbstdarstellung. Selbst wenn etwas davon oder alles einträfe, mit dem Glauben an Gott hat dies nichts zu tun.

Wo bleibt die Korrektur seitens des BEFG?
sdg
apologet

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